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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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tanzen, bis Herodes ihr als Belohnung alles verspricht,
was sie sich wünscht. Zu diesem Zeitpunkt gehen Sie ihr gerade mächtig auf die
Nerven — und deshalb verlangt sie Ihren Kopf auf dem Tablett serviert.«
    »Kendall hat eine Plastik aus
Lehm anfertigen lassen«, sagte Tybolt . »Sie wirkt
erstaunlich lebensecht — der Bildhauer, der sie geschaffen hat, möchte sie
zurückhaben, wenn wir sie nicht mehr benötigen — für eine Ausstellung.« Er
betrachtete bescheiden seine Fingernägel. »Wenn man ihn hört, hatte er noch nie
zuvor Gelegenheit, so ein klassisches Profil wie meins zu gestalten.«
    »Die Ähnlichkeit ist wirklich
bestechend«, sagte Helen Mills in einer Art kindlicher Unschuld. »Sogar bis auf
die Sonnenbräune — aber Lehm ist ja immer und überall braun, nicht?«
    Der mörderische Ausdruck wich
nicht aus Tybolts Augen, während er sich zu einem
Lächeln zwang.
    »Ich bin unsagbar traurig, auf
Ihre Gesellschaft verzichten zu müssen, Helen«, sagte er warmherzig, »aber von
hier aus sieht es sich an, als gerate Donna wegen dieses jungen Mexikaners allzusehr aus dem Häuschen. Meinen Sie nicht, Sie sollten
sich mal ein wenig dazwischenschieben?«
    Helen Mills blickte rasch über
die Schulter und erkannte, wie nah der Mexikaner ihrer Primadonna schon auf den
Pelz gerückt war. Sie zögerte nicht — einen Sekundenbruchteil später
durchquerte sie entschlossen das Zimmer.
    Tybolt sah ihr einen Augenblick nach
und lächelte amüsiert.
    »Man nennt es unerwiderte
Liebe«, sagte er. »Eigentlich ist das tragisch, aber bei Helen ist’s halt nur
amüsant.« Er zuckte die breiten Schultern. »Diese fürchterliche Brille!«
    Ich sah zu dem traulichen Duett
hinüber, aus dem nun ein Terzett wurde.
    »Wer ist übrigens der Herr bei
Donna Alberta?« erkundigte ich mich.
    »Herodes — der Mensch, der ihr meinen
Kopf auf dem Tablett servieren läßt.« Tybolt zog eine
Grimasse.
    »Und wie nennt man ihn, wenn er
nicht auf der Bühne steht?« beharrte ich geduldig.
    »Er ist ein Tenor aus Mexiko
und heißt Luis Navarre . Earl Harvey konnte keinen
bekannteren Tenor dazu überreden, in der Second Avenue zu singen, deshalb mußte
er sich mit Luis begnügen.«
    »Ist er ein schlechter Sänger?«
    »Er hat eine sehr nette
Stimme«, erwiderte Tybolt gleichgültig. »Wenn er
richtig geführt wird und die nötige Erfahrung erlangt, dann ist er der rechte
Mann für >Salome< — in zehn Jahren.«
    Seine Züge erstarrten, als er
über meine Schulter blickte. Ich wandte den Kopf und sah Kasplin zusammen mit einem anderen Mann ins Wohnzimmer kommen.
    »Der Impresario und der Manager
der Primadonna«, murmelte Tybolt . »Wer hat da
erzählt, der Löwe könne sich nicht mit einer Laus zusammentun? Sie müssen
entschuldigen, Boyd, wenn ich nicht bei Ihnen bleibe. Gegen diese beiden ist
mir sogar Helen Mills noch lieber!« Er gesellte sich schleunigst zu der Gruppe
in der anderen Ecke, die ausgesprochen unlustig dreinschaute, seit Helen dazugestoßen war.
    Kasplin marschierte mit schnellen
kurzen Schritten auf mich los, wobei er einen Spazierstock aus Ebenholz mit
silbernem Griff lässig in der rechten Hand herumwirbelte. Er hatte sich
wirklich fein gemacht, trug einen mitternachtsblauen Gesellschaftsanzug und
darunter ein Dandyhemd mit Spitzen. Der andere, der
zwei Schritte dahinter in seinem Kielwasser heransegelte, überragte ihn wie ein
professioneller Leibwächter.
    »Ich freue mich, daß Sie schon
da sind, Boyd«, sagte Kasplin . »Darf ich Ihnen
unseren Impresario vorstellen — Earl Harvey.«
    Harvey wirkte nur im Vergleich
zu Kasplin groß, genaugenommen war er mittelgroß und
hager. Seine mausgrauen Haare fielen ihm ungepflegt in die Stirn. Das hätte ihn
eigentlich jugendlich und harmlos aussehen lassen sollen, aber es tat’s nicht.
Seine Nase war immens, der Mund breit und schmallippig, und seine Augen hatten
die Farbe des Hudson an einem regnerischen Morgen. Er kleidete sich lässig und
doch kostspielig, und im ganzen erweckte er den Eindruck eines wohlhabenden
Zuhälters.
    » Kasplin hat mir heute nachmittag von Ihnen erzählt«, sagte er
mit knarrender Stimme. »Sie arbeiten für den Hundezwinger oder so etwas?«
    »Arbeit schändet nicht«, erwiderte
ich höflich. »Und wie war das doch noch — hatten Sie Ihren ersten
durchschlagenden Erfolg nicht auch mit einem Flohzirkus?«
    Harvey sah Kasplin seufzend an. »Es ist doch heutzutage immer derselbe Ärger mit dem Personal —
niemand hat mehr Respekt.«

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