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Der Mann mit der dunklen Maske

Der Mann mit der dunklen Maske

Titel: Der Mann mit der dunklen Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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verließen gerade das eindrucksvolle Gebäude und konnten sie jede Sekunde entdecken. Plötzlich erschien Alex Mittleman, der Stellvertreter von Sir John, in der Tür. Wenn er sie sah, würde er zweifellos mit ihr reden und sie zum Zug begleiten wollen. Camille musste weg und zwar schnell.
    Sie packte Ralph am Ellbogen und zog ihn mit sich. Kalter Wind fegte über die Straße und fuhr eisig unter ihre Kleider. Aber vielleicht war es nicht nur der Wind, sondern die Angst, die ihr das Rückgrat emporkroch.
    „Komm mit, Ralph. Erzähl mir alles, und erzähl es mir schnell“, befahl Camille. Sie machte sich Sorgen. Große Sorgen. Tristan war klug, unglaublich belesen und hatte von Kindesbeinen an gelernt, wie man sich auf der Straße durchschlug. Er hatte ihr viel über Sprache, Literatur, Kunst, Geschichte und Theater beigebracht, aber auch, dass der äußere Anschein einen Großteil des Lebens ausmachte – des gesellschaftlichen Lebens. Wenn sie sich wie eine vornehme Lady ausdrückte und kleidete, würden die Leute sie auch dafür halten.
    Er war so ungeheuer klug, und dann wieder schien er überhaupt keinen Verstand zu besitzen.
    „Da vorn ist Dougray’s“, sagte Ralph und bezog sich damit auf eine Kneipe.
    „Du brauchst doch jetzt wohl keinen Gin“, protestierte Camille.
    „Doch“, stöhnte der kleine Mann leise. „Genau den brauche ich.“
    Camille seufzte. Dougray’s war eine Schänke, in der die Arbeiterklasse verkehrte, und sie hatte einen besseren Ruf als so manche der Etablissements, die Ralph und Tristan ansonsten gern besuchten. Außerdem bediente man hier auch Frauen.
    Camille kleidete sich immer sehr sorgfältig, um ihrer Position als Assistentin von Sir John Matthews, einem der Kuratoren der Abteilung für ägyptische Altertümer am Britischen Museum, gerecht zu werden. Ihr Rock war dunkelgrau mit einer kleinen Tournüre, und ihre gut geschnittene Bluse, die sittsam ihren Hals umschloss, hatte einen ähnlichen, aber helleren Ton. Ihr Mantel war von guter Qualität. Er war irgendwann mal im Besitz einer hoch gestellten Lady gewesen, die ihn wahrscheinlich der Heilsarmee gespendet hatte, nachdem sie sich einen moderneren gekauft hatte. Ihr zobelbraunes Haar, das Camille für das einzig Schöne an sich hielt, war sorgfältig hochgesteckt. Sie trug keinen Schmuck außer dem schlichten Goldring, den Tristan bei ihrer Mutter gefunden hatte und den sie seither stets trug. Als Kind an einer Kette und heute an ihrem Finger.
    Camille hatte nicht das Gefühl, dass sie besonders beachtet wurden, als sie die Kneipe betraten.
    „Sollen wir uns verstecken?“ flüsterte Ralph.
    „Lass uns einfach nach hinten durchgehen.“
    „Wenn es dir darum geht, nicht aufzufallen, Camie, solltest du wissen, dass jeder Mann in diesem Raum sich nach dir umdreht.“
    „Sei nicht albern.“
    „Es sind deine Augen“, erklärte er.
    „Sie sind ganz gewöhnlich braun“, erwiderte sie ungeduldig und sah ihn verwundert an.
    „Nein, Mädchen, sie sind aus Gold, aus purem Gold. Und manchmal wirken sie ein bisschen wie Bernstein. Ich fürchte, alle Männer beobachten dich. Die guten, aber auch die nicht so guten“, sagte er und sah sich um. Wut blitzte in seinen Augen.
    „Niemand belästigt mich, Ralph. Also geh bitte weiter.“
    Schnell drängte sie Ralph in den verrauchten hinteren Teil, bestellte ihm einen Gin und sich selbst eine Tasse Tee. „Und jetzt“, befahl sie, „rede!“
    „Tristan liebt dich über alles, Kind. Das weißt du“, begann Ralph.
    „So wie ich ihn liebe. Und ich bin wohl kaum noch ein Kind, dem Herrn sei Dank“, entgegnete Camille. „Jetzt sag mir auf der Stelle, aus welchem Schlamassel ich ihm diesmal helfen muss?“
    Ralph murmelte irgendetwas in sein Glas.
    „Ralph!“ schimpfte sie.
    Der kleine Mann räusperte sich. „Er befindet sich in den Händen des Earl of Carlyle.“
    Camille schnappte nach Luft. Sie hatte einiges erwartet, aber nicht das. Und obwohl sie noch nicht die ganze Geschichte kannte, war sie zutiefst erschrocken.
    Der Earl of Carlyle war ein Monster. Das wusste jeder. Es war nicht nur die Art, wie er mit Handwerkern, Dienern und Leuten seines eigenen Standes umging. Er war ein Monster im wahrsten Sinne des Wortes. Dank einer doppelten Erbschaft waren seine Eltern zu unvorstellbarem Reichtum gelangt. Beide waren bekannte Altertumsforscher und Archäologen. Die Leidenschaft für alles, was mit dem alten Ägypten zusammenhing, hatte sich in ihre Herzen gebrannt, weshalb

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