Der Maya-Kalender - die Wahrheit über das größte Rätsel einer Hochkultur
aber, ansonsten unbeschädigt, der gregorianische Kalender zum Vorschein.Der Kalender als Machtfaktor und Propagandainstrument in der Geschichte ist ein weites, gleichwohl eher nachlässig beackertes Feld – mit Zeitwahrnehmung und Zeiteinteilung befassen sich vornehmlich Astronomen und Mathematiker, Anthropologen, Ethnologen und Religionswissenschaftler, Soziologen und Philosophen. Wie sehr aber Macht über Zeit in Form von Kalendern, Uhren und Zeitregeln nicht nur in Form von Arbeitszeiten, Fahr- und Stundenplänen, sondern auch durch gesellschaftliche Normen ausgeübt wird, verdeutlichen Herrschaftsumbrüche besonders gut. Plötzlich müssen Menschen den gewohnten, vielleicht geschätzten Umgang mit Zeit aufgeben und sich neuen (Macht-)Umständen und Zeitvorschriften anpassen. Von der Christianisierung Europas bis zur europäischen Eroberung der Welt, immer brachten neue Machthaber ein neues Zeitregime mit. Macht bedeutet auch, über die Zeit anderer bestimmen zu können – und Ohnmacht, einem Zeitkorsett selbst dann folgen zu müssen, wenn es der eigenen Natur oder Absicht zuwiderläuft. Moderne Gesellschaften praktizieren die Beherrschung der Zeit vermeintlich rational, in vormodernen jedoch manifestiert und legitimiert sich Macht oft nachdrücklich mittels der Zeitrechnung, sei es durch die Form der Jahreszählung, sei es durch neue Festtage oder symbolische Handlungen des Herrschers im Kalendertakt.
Wer mit einer Revolution eine Zeitenwende zu vollziehen beansprucht, muss sich also zuallererst an der Chronologie des gregorianischen Kalenders stoßen, denn sie postuliert das Christentum als universellen Maßstab der Zeitrechnung. Die Geburt Christi in Bethlehem wurde allerdings erst Jahrhunderte nach dem Ereignis zum kalendarischen Nullpunkt erklärt. Zunächst blieb es trotz der stetig zunehmenden Bedeutung des Christentums und selbst nach seiner Erhebung zur Staatsreligion bei der gewohnten Jahreszählung nach Regierungsjahren der römischen Kaiser. Dafür erhielt der eben noch heidnische Kalender eine christliche Prägung. DieChronologie-Revolution aber schlug erst im 6. Jahrhundert der römische Abt Dionysius Exiguus vor. Damals zählte man mit der Ära des Diokletian, das heißt seit dem Regierungsantritt dieses heidnischen römischen Kaisers dalmatischer Herkunft, der die Christen erbarmungslos verfolgt hatte – was für Dionysius ein skandalöser Zustand war. Außerdem sollte sich auch kalendarisch ausdrücken, dass über aller irdischen Macht und Zeit die göttliche steht. Dionysius setzte nach Berechnungen mit dem Jahr 1 ein Datum für die Geburt Christi ein, das dem Jahr 754 nach der legendären Gründung der Stadt Rom entsprach. In Schriften des Mittelalters trat die Zählung »ab der Fleischwerdung des Herrn«, die sogenannte Inkarnationsrechnung, zunehmend neben andere chronologische Einordnungen, die Zählung »vor Christus« wurde jedoch erst im 18. Jahrhundert üblich.
Zu größerer Aufmerksamkeit verhalf 200 Jahre nach Dionysius der englische Gelehrte und Benediktinermönch Beda Venerabilis der neuen Zählweise, außerdem Karl der Große, der in einem nach Inkarnationsrechnung runden Jahr Kaiser wurde, nämlich 800 Jahre nach der Geburt Christi. Die neue Jahreszählung setzte sich aber nur allmählich durch, zumal es regional noch viele andere Zählweisen gab, zumeist die Regierungsjahre lokaler Fürsten, was der konkreten Erinnerung der Menschen ja auch eher entsprach als ein viele Jahrhunderte zurückliegendes Datum, so bedeutsam es auch gewesen sein mochte. Seit ungefähr 1000 n. Chr. begannen Kalenderfachleute, sich mit den Berechnungen zum Geburtsjahr Jesu näher zu beschäftigen, was bis heute fortdauert. Denn Dionysius Exiguus hatte sich um einige Jahre verrechnet, und das exakte Geburtsjahr des Begründers des Christentums ist bis heute heiß umstritten. Kalendarisch korrigiert wurde der Irrtum jedoch nie.
Hier erweist sich besonders deutlich, dass Kalender keine nüchtern-neutralen Zeitrechnungssysteme waren, sondern anReligion gebunden und Ausdruck politischer Herrschaft. Das gilt für unseren Kalender ganz besonders: Viele Jahrhunderte lang war das Abendland christlich dominiert, und die Kirche war bis in die jüngere Vergangenheit eng verwoben mit Politik und Herrschaftsausübung. So wie nach dem Ende des Römischen Reiches Kirche und Frankenreich gemeinsam das Erbe Roms antraten und diesem Erbe den christlichen Stempel aufdrückten, so übernahmen sie den römischen Kalender
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