Der Mensch vom Mars. Roman.
machte eine Bewegung, als schreckte ich zurück. »Go on!« Die Worte wurden mit solchem Nachdruck ausgesprochen, daß ich unwillkürlich gehorchte.
Kaum war ich in die weiche Polsterung gesunken, knallte die Tür auch schon zu und der Wagen schoß davon, wie in einem Gangsterfilm. Die Lichter der Straße zitterten, sie dehnten sich aus zu vibrierenden Fäden, und wir huschten mitten zwischen ihnen hindurch.
Ich schaute mich im Wagen um. Der Innenraum war dunkel. Ich saß allein im Fond des Wagens. Vor mir, vor dem Hintergrund des schwach beleuchteten Armaturenbretts und der Frontscheibe, waren zwei einander sehr ähnliche, gedrungene männliche Silhouetten zu sehen: die des Fahrers und seines Begleiters. Ich begann nachzudenken. Mein Verstand hatte zwar durch das zweitägige unfreiwillige Hungern gelitten, war jedoch recht leistungsfähig. Dieser Hunger verursachte aber eine gewisse Leichtigkeit beim Fassen außergewöhnlicher Entschlüsse und eine extreme Gleichgültigkeit gegenüber den äußeren Umständen. Doch nun – was ging da eigentlich vor? Der Wagen fuhr jetzt langsamer, denn der Motor begann mit dem charakteristischen hohen, singenden Ton zu arbeiten, den Motoren bei Vollgas und hoher Drehzahl von sich geben. Plötzlich eine scharfe Kurve – Bremsen, ein Schlag, ein Quietschen, der Wagen hüpfte einige Male, bis er weich in eine Mulde fiel und zum Stehen kam.
Die Türen öffneten sich nicht. Der Fahrer hupte nur, einmal kurz, einmal lang. Dann drehte er zweimal das Fernlicht aus, schaltete das Abblendlicht ein und löschte auch dieses. Jetzt standen wir in ägyptischer Finsternis.
»Was für ein Schmierentheater, zum Teufel ...«, begann ich, aber meine Stimme erwies sich als zu schwach, denn meine Ohren waren noch voll vom Summen des Motors und der Fahrt – im selben Augenblick erschien übrigens vor der Kühlerhaube des Wagens ein Viereck aus weißem Licht. Das Auto surrte und fuhr los. Plötzlich spürte ich, daß der Boden abfiel. Aha! dachte ich, eine Tiefgarage. Wir waren angelangt.
Die Tür sprang auf. Der Fahrer des Wagens zeigte mir sein Gesicht – eine riesige, breite Physiognomie mit mächtigen Kiefern und wulstigen, buschigen Augenbrauen. Ich stieg aus. Die Füße traten leicht auf, der Belag in diesem unterirdischen Gang bestand aus schalldämpfendem Material. Eine Seitentür öffnete sich, und ich sah in einen Raum, in dem fünf Männer saßen. Der Raum war nicht sehr groß, und die Männer saßen hinter einem kleinen runden Tisch. Bei meinem Anblick standen alle auf und betrachteten mich schweigend, als warteten sie auf etwas.
Der Kleinste von ihnen, ein Dunkelblonder mittleren Alters mit einem bleichen, schweißüberströmten Gesicht, etwas untersetzt, wandte sich an meinen Begleiter, den Fahrer:
»Ist er das?«
Den Fahrer schien diese Frage zu überraschen, er zögerte, antwortete dann aber: »Natürlich!«
Der Fragende wandte sich jetzt an mich. Er näherte sich so weit, daß wir einander gegenüberstanden, und fragte:
»Welchen Tag haben wir heute?«
Ich antwortete, diesmal wahrheitsgemäß, daß es Mittwoch sei, was ein Zucken zur Folge hatte, das alle erfaßte. Zuerst dachte ich, ich sei unter Wahnsinnige geraten, aber kaum schrak ich zurück, als der Fahrer, ein Mann von athletischer Statur, vortrat und zu reden begann.
»Mr. Frazer, ich schwöre es, er sagte: Freitag. Und er hatte an der Ecke Fifth Avenue die ›New York Times‹ bei sich.«
»Was soll das bedeuten?« fragte der Mann mit dem bleichen Gesicht. »Woher kommen Sie?«
»Aus Chicago«, antwortete ich, »aber vielleicht bin ich jetzt an der Reihe, Fragen zu stellen? Und diese rätselhafte Fahrt mit dem Auto?«
»Bemühen Sie sich nicht«, unterbrach er mich in eisigem Ton. »Sie sind noch nicht an der Reihe, Fragen zu stellen. Warum haben Sie gesagt, heute sei Freitag?« Mich überkam der Gedanke, es doch mit Wahnsinnigen zu tun zu haben. Man soll ihnen nachgiebig und entgegenkommend begegnen, das hatte ich irgendwo gelesen.
»Wenn man recht überlegt, ist heute vielleicht doch Freitag«, begann ich. »Insbesondere nach der Weltzeit von Greenwich.«
»Machen Sie keine Faxen – zur Sache. Haben Sie den Brief und das Werkzeug?«
Ich schwieg.
»Ja ...«, sagte mein Gesprächspartner stockend.
»Nun ja, aber bevor ... bevor ... also, Sie müssen mir sagen, wer Sie geschickt hat. Mit welchen Absichten sind Sie hierhergekommen? Und wer hat Ihnen verraten, was gemacht werden muß und wie, um
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