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Der Ministerpräsident - ein Roman

Der Ministerpräsident - ein Roman

Titel: Der Ministerpräsident - ein Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer , Meyer GmbH , Co.KG
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Dorf, das zu einem nächsten Dorf führte, das uns nach Klosters führte, ein einziges, nicht enden wollendes Bergdorf. Auch hier herrschte Steilheit, eine mir sinnlos erscheinende Steilheit, selbst der einfachsten Wege, die immer nur nach oben führten. Hannah erfragte für uns ein Hotel, ein Hotel ohne Fernseher und ohne Telefon. Wir duschten und wir massierten uns. Ich fragte sie: Wie wir das schaffen sollen? All diese Berge. Und sie antwortete: Bald würde ich kaum mehr zu sehen sein. So leicht geworden würde ich die Anstiege emporstürmen.
    Hannah fuhr voraus, ich hinterher. Hannah war ein heller Punkt hoch oben auf einer Pass- oder Zwischenhöhe – ich war ein anderer Punkt, der in ihre Nähe zu kommen versuchte. Sie wartete schlafend. Oder in den Himmel schauend. Oder winkend. Sie reichte mir einen letzten Müsliriegel. Oder ihre Trinkflasche. Einmal schaute sie mich an: Ob mir etwas auffalle. Mir fiel nichts auf. Ich sei ohne Helm, sagte sie. Ich war in der Tat ohne Helm. Ich hatte ihn bei unserer letzten Rast irgendwo vergessen. Er lag viele Kilometer unter uns. Für mich war der Helm unwiederbringlich verloren. Ich wollte weiterfahren, doch sie bestand auf diesem Helm. Es sei mein Helm. Man dürfe einen solchen Helm nicht einfach liegen lassen. Und sie stieg auf ihr Fahrrad und fuhr hinunter und holte meinen Helm. Als sie wieder bei mir war, legte sie sich zu mir und schlief – den Helm in ihrem Arm.
    Sie hatte Aufmunterungen und Überraschungen parat. Auf dem Wolfgangpass sagte sie: Bitte absteigen. Ich sollte zu ihr kommen. Das sei der Wolfgangpass. Sie reichte mir ein gelbes Trikot. Sie hatte es eigens für mich gekauft. Es sei ein Trikot für alle Bezwinger des Wolfgangpasses. Und sie umarmte mich mit einer plötzlichen Heftigkeit: Jetzt sind wir oben.
    In den Hotels mussten nun Meldezettel ausgefüllt werden. Ich wollte meinen Namen schreiben, da stockte ich, nach den ersten drei Buchstaben … Doch der Mann an der Rezeption, er schien zufrieden mit diesen drei Buchstaben. Urs. Grüß Gott Herr Urs, sagte er. Also hieß ich Urs. Und Hannah hieß ebenfalls Urs. Herr und Frau Urs. Im nächsten Hotel hießen wir Urskirch. Oder Trauttmansdorff. Denn Hannah hieß mit Nachnamen Trauttmansdorff. Also waren wir Herr und Frau Trauttmansdorff. Oder ich schrieb: Herr und Frau März – was Hannah wütend machte. Dass das nicht lustig sei. Dass das gefährlich sei. Dass sie alles in der Welt sein wolle, nur nicht Herr und Frau März.
    In einem Hotel sagte ein Kellner zum Abschied: Gute Reise noch, Herr Urs. Gefolgt von einem weiteren Kellner: Auf Wiedersehen, Herr Urs, gefolgt von einem dritten Kellner, der sagte: Schönen Tag noch, Herr Urs … Doch eigentlich sagte er nicht Urs, sondern Urspring, sehr beiläufig nur, doch er sagte: Urspring. Es klang wie: Warum wollen Sie das länger leugnen, Urspring. Dass Sie Urspring sind. Und niemand sonst. Und ich sagte zu Hannah: Wir müssen sofort weiter, doch von dem Kellner erzählte ich ihr nichts. Ich sagte ihr nur: Wir müssen weiter! Ich zog den Helm auf und rückte meine Sonnenbrille zurecht. Später sah ich mich im Spiegelbild einer Telefonzelle, und ich klammerte mich an dieses Bild. Wie könnte mich irgendjemand in diesem Helm erkennen.
    Und ich fragte mich, je weiter wir fuhren, ob ich überhaupt richtig gehört hatte? Schönen Tag noch, Herr Urspring. Ob ich nicht vielleicht etwas anderes gehört hatte. Zum Beispiel: Gute Reise noch, Herr Ursp. Und ich hörte den ganzen Vormittag den besonderen Klang in der Stimme dieses Kellners. Mal hörte ich aus der Stimme Erstaunen, unterdrücktes Erstaunen. Dann wieder Genugtuung. Als wäre ich größter Lügen überführt. Dann wieder nichts als Freundlichkeit.
    Hannah fragte, was mit mir sei? Und ich antwortete: Es sei nichts. Ich sei müde. Und sie fuhr weiter. Sie sprach von der Luft des Engadin. Das sei reinste Luft. Man könne sich mit dieser Luft betrinken – während ich mich über die Autos wunderte, die uns überholten. Sie überholten anders als sonst. Mir schien es: aufmerksamer, bedächtiger, langsamer.
    Vielleicht war es ein Fehler gewesen, dass ich März vor drei Tagen eine Karte geschrieben hatte. Ohne Hannah das zu sagen. Einfach nur eine Karte voller Berge und Wolken an Julius März, Staatsministerium, mit dem Satz: Uns geht es gut. Wir sind wohlauf. Vielleicht war das ein Fehler gewesen.
    Ich hielt mich an die Gewissheit der Helme. Dass wir in unseren Helmen unsichtbar waren. Jedenfalls

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