Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
mich anblickte, wie er mir Komplimente machte. Es war widerlich."
„Du kommst aus der Stadt?"
„Nein, ich wollte gerade gehen. Aber jetzt bleibe ich hier. Ich lasse dich in diesen schweren Stunden nicht allein. Du siehst blaß und abgespannt aus, mein Lieber. Hat dir der Kommissar schwer zugesetzt?"
„Mir reicht es."
„Ist nun alles in Ordnung?"
„Ich fürchte, nicht."
„Woran ist Carter eigentlich gestorben?"
„Keine Ahnung. Man hat ihn erschossen."
„Man hat ihn ...?"
„Ja, das sagte der Kommissar, bevor er mich entließ, um den Fall zu untersuchen."
„Wie gut, daß du bei ihm warst! Nun kann man dich nicht verdächtigen."
„Was hilft mir das schon? Die Kriminalbeamten sind fest davon überzeugt, daß ich Julia Hopkins und den Polizisten getötet habe."
„Ich begreife das nicht. Man kann dir doch kein plausibles Motiv unterstellen!"
Er schaute sie müde an.
„Es gibt ein Motiv, Bea. Aber das kennen die Leute vom Yard nicht. Sie klammern sich statt dessen an etwas Konstruiertes und weichen keinen Zoll davon ab." Er stand auf und schaute über den Park. „Ich fürchte mich, Beatrice. Nicht meinetwegen. Ich fürchte mich deinethalben. Du warst immer eine Vickers im besten Sinne. Dein Familiensinn war stärker als alles andere. Wie wirst du reagieren, wenn unser guter alter Name beschmutzt wird?"
„Ich denke nicht an unseren Namen", sagte sie ruhig. „Ich denke nur an dich, Archy."
Er schwieg einige Sekunden, dann meinte er: „Carters plötzlicher Tod wird einige nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten im Gefolge haben. Ich rechne jeden Augenblick mit dem Eintreffen des Kommissars."
„Was hast du mit Carters Tod zu schaffen?"
„Ich erklärte dir bereits, daß er ein Schuft und Erpresser war. Im Falle seines Todes wird ein Brief, den er bei seinem Rechtsanwalt hinterlegt hat, sofort der Polizei zugestellt. Das Schreiben enthält eine Menge Material, das mich schwer belastet."
„Na, wenn schon! Sollte es tatsächlich zu einem Prozeß kommen, wird es nicht schwer sein, die Glaubwürdigkeit von Jonathan Carter zu erschüttern. Er ist kein Zeuge, mit dem die Staatsanwaltschaft große Ehre einzulegen vermag."
„Da ist noch ein Punkt. Der Polizist, der vor dem Theater getötet wurde und der den Mörder von Julia Hopkins in der Nähe des Tatortes gesehen haben will, hat eine sehr genaue Beschreibung dieses Mannes hinterlassen. Sie deckt sich Zug um Zug mit meinem Aussehen. Außerdem benutzte der Unbekannte einen Rover..."
„Das sind noch keine Beweise."
„Du hast recht. Wären sie es, hätte mich der Kommissar nicht gehen lassen."
Sie schwiegen einige Sekunden, dann holte Vickers tief Luf.
„Noch eins, Bea, mir ist die ganze Mordgeschichte viel gleichgültiger, als ich sagen kann. Ich kann dir leider nicht die volle Wahrheit gestehen, meine Liebe, aber ich will dir nicht verhehlen, daß sich meine eigentlichen Sorgen und Zweifel auf Monika beziehen. Es ist, als wären sie fortlaufend damit beschäftigt, glühenden Zangen gleich an meinem Herzen zu reißen. Wenn ich nur wüßte, ob Monika tatsächlich..."
Er unterbrach sich. Beatrice schwieg.
„Warum sagst du nichts?" forschte er gequält.
„Weil ich doch nur das äußern darf, was du erhoffst und erwartest", meinte sie leise.
„Was erwarte ich denn?"
„Die Bestätigung deiner Wunschträume. Du willst hören, wie gut und rein und unschuldig Monika ist."
„Ja, aber das trifft doch zu, nicht wahr?" fragte er mit kaum verständlicher Erregung. „Das ist doch die Wahrheit!"
Beatrice schaute ihn mitleidsvoll an. „Wie tief du an sie glaubst! Was hat sie denn bis jetzt für dich getan? Sie hat ihren jungmädchenhaften Schmelz auf dich wirken lassen. Ach ja — und sie hat ein Alibi für dich erfunden. Du lieber Himmel, was ist das schon! Aber würde sie sich wirklich aufopfern — selbstlos und bis zur letzten Konsequenz, wie deine Schwester?"
„Rede endlich! Sage mir, was du auf dem Herzen hast."
„Ich will dir nicht deinen Glauben an Monika nehmen. Sie liebt dich, das unterliegt keinem Zweifel. Aber sie ist jung, und sie ist viel flatterhafter, als du ahnst. Es steht gar nicht zur Debatte, ob sie von Carter verführt wurde oder nicht — entscheidend ist die Tatsache, daß sie in seinem Haus verkehrte und sich dieser Gefahr aussetzte."
„Du warst schon immer dagegen, daß ich Monika heirate", erklärte er unwirsch. „Am liebsten hättest du mich, den letzten Vickers, an die Kette gelegt und für dich behalten.
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