Der Mörder von St. Pauli (Zwischen den Welten)
die
anderen.
Arnold
wollte mich nicht. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wollte er mich auch noch
nicht. Aber damit es mir nicht so weh tut, und vor allem, damit ich nicht so
leiden muss, während ich darauf warte, dass er es sich anders überlegt, habe
ich ihm einfach erzählt, es gäbe noch ein Leben nach ihm. Und ich würde mich
eigentlich nicht mehr mit ihm unterhalten wollen. Natürlich habe ich gelogen.
Aber damit weiß ich, dass es vorbei ist. Es ist vorbei. Es besteht keine
Hoffnung mehr, dass ich jemals wieder mit ihm zu tun habe. Und damit ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ich jemals wieder abstürze, verschwindend gering
geworden. Es sei denn, ich treffe ihn zufälligerweise. Dann garantiere ich für
nichts.
Seitdem
habe ich ziemlich viele Dummheiten gemacht. Ich habe mich ausgetobt, sexuell
meine ich, und mich in meiner eigenen neuen Welt ziemlich gut eingerichtet.
Damit ich den Bezug zur Realität behalte, habe ich mir sogar eine eigene
Identität zugelegt. Extra für mein Doppelleben. Mit einem wundervollen
Pseudonym. Es ist eine Mischung aus den Eigenschaften, die ich besonders gerne
auf mich vereinen würde. Ich wäre gerne „wild“. „Wild“ assoziiert man mit
hemmungslos, schmutzig, verrucht. Alles Eigenschaften, auf die Männer abfahren,
wenn sie Sex wollen. Junge Körper, die wilden Dampfhammersex machen. Klischees.
Aber genau das, was ich meinen Kunden biete. Zeitgleich bin ich „edel“. Etwas
besonderes, das man sich gerne leistet. Keinesfalls zu vergleichen mit diesem
Pack, das die Preise und das Image der Branche kaputt macht. Ich bin ein Engel.
Tausend Mal besser als all diese. Und unterbewusst strahle ich das aus.
Nur Carlos
hat das heute morgen nicht verstanden. Er hat sich ausgetobt und ist gegangen,
hat die Tür zu meiner kleinen Wohnung hinter sich zugezogen. Wenigstens hat er
ein Kondom benutzt. Und er war ordentlich genug, es in die Küche zu tragen. Als
ich aufstehe, um die Kaffeemaschine in Gang zu setzen, finde ich es auf der
Spüle. Wenigstens gibt es Kaffee. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen
ich Champagner getrunken habe. Die letzte Flasche steht noch ungeöffnet auf
meinem Küchenschrank. Oder das Frühstück ans Bett bekam. Aber darüber
nachzudenken bringt nichts. Diese Leute haben in meinem Leben nichts verloren.
Wer sich zu schnell zu wichtig nimmt, gehört nicht dorthin. Sie haben sich die
Freundschaft selbst versaut.
Außerdem
brauche ich keine richtigen Freunde. Ich brauche Leute um mich, die mir sagen,
wie toll ich bin. Kritik nehme ich sowieso keine entgegen. Die leeren Hüllen,
die sich als meine Freunde bezeichnen und die nach meiner Aufmerksamkeit
lechzen, kritisieren mich nicht. Die finden mich so toll, wie ich bin.
Als ich
meine Welt neu baute, hatte ich gerade eine Affäre mit einem Typen begonnen.
Sein Name ist hier unwichtig. Ich weiß ihn sowieso nicht mehr. Einer von
vielen, was soll's? Sein herausragendes Merkmal war sein toller Körper. Sonst
sah er nicht besonders toll aus, aber er hatte einen großen Schwanz und er war
nur aktiv. Und er konnte mit diesem Ding verdammt gut umgehen. Also nahm ich
ihn mit zu mir und ließ zu, dass er mich vögelte. Das machte er so auch ganz
gut. Irgendwann schleppte er dann diesen Typen an und wir machten einen Dreier.
Beide aktiv, ich nur passiv. Der andere war so gut bestückt, dass wir keine
passenden Gummis hatten. Also hatte ich eben Sex ohne Gummi. War ja nicht das
erste Mal. Dann ging der andere Typ, und alles war gut.
Ein paar
Tage später sah ich dann, wie einer meiner Freunde mit ihm nach Hause ging. War
mir egal, ich hatte ihn ja schon, und daher war es langweilig. Es kamen immer
neue, und ich bekam sie auch alle. Die einen ins Bett, für die meisten hat es
nicht einmal bis dorthin gereicht, denn es gab immer irgendwo eine Toilette,
einen Darkroom oder einen Billardtisch, auf dem gerade keiner spielte.
Monate
später erfuhr ich durch Zufall, dass der andere Typ, den mein damaliger
Ab-und-an-Lover mitgeschleppt hatte, gestorben war. An AIDS, Endstadium. Ich
kriegte die Panik, volles Rohr. Schließlich hatte der andere in mir
abgespritzt. Ich sah mich schon im Krankenhaus, überall Schläuche, meine Eltern
weinend neben mir - by the way, das erste Mal, dass meine Eltern um mich oder
wegen mir weinen würden -, mein Gesicht eingefallen und mein Leben vorüber.
Natürlich ging ich am nächsten Tag sofort zu meinem Arzt und ließ einen
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