Der Mondscheingarten
verträgt.« Damit zog er sie in seine Arme und küsste sie.
»Tja, dann bleibt nur noch herauszufinden, warum Lord Havenden wortbrüchig wurde und seine schwangere Geliebte einfach sitzen ließ«, sagte Ellen nachdenklich, als sie bei Kaffee und Kuchen, den Ellen in einer naheliegenden Bäckerei besorgt hatte, am Küchentisch saßen.
Ein beinahe triumphierender Ausdruck huschte über Gabriels Gesicht.
»Du hast in der Zwischenzeit wieder was herausgefunden«, mutmaßte Lilly, worauf er nickte.
»Aufgrund des Briefes, den ich bei den Carmichaels gefunden habe, habe ich nach den Havendens gesucht. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, denn dieser Name ist schon seit einiger Zeit erloschen. Nach einigem Nachbohren bin ich dann aber auf die Tochter seiner Schwester gestoßen, die jetzt in Devonshire lebt, mit eigener Pflegerin versteht sich. Die alte Dame kannte Paul Havenden zwar nicht persönlich, sie wurde erst neunzehnhundertzwanzig geboren. Aber sie konnte sich noch gut an die Erzählungen ihrer Mutter erinnern. Demnach ist Paul Havenden zusammen mit seiner Ehefrau Maggie bei einem Schiffsunglück im Indischen Ozean ums Leben gekommen.«
»Was?« Lilly schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
»Ich habe das nachgeprüft, und tatsächlich hat es neunzehnhundertzwei ein Unglück mit einem Passagierdampfschiff gegeben, das in der Nacht mit einem Postdampfer zusammengestoßen ist. Menschliches Versagen würde man das heute wohl nennen, der Kapitän des Postdampfers hatte die Route falsch berechnet.«
»Dann hatte er also vielleicht doch vorgehabt, Rose zu heiraten?«
»Möglicherweise, wer weiß das schon. Nur blieb ihm keine Zeit, seine Redlichkeit unter Beweis zu stellen.«
Lilly brauchte eine Weile, um das zu verdauen.
»Wusste Pauls Nichte denn vielleicht etwas über den Brief, den Rose an seinen Stammsitz gesandt hatte?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Und ich nehme auch an, dass der Brief, den ich bei den Carmichaels gefunden habe, niemals Havenden Manor erreicht hat. Carmichael wird erfahren haben, dass Paul nicht mehr lebte.«
»Dann hat er also Rose in dem Glauben gelassen, dass er sie einfach vergessen hat?« Ellen schüttelte entrüstet den Kopf. »Er hätte ihr sagen können, was passiert ist.«
»Nun, vielleicht wollte er sie schonen.«
»Schonen?« Auch Lilly war jetzt aufgebracht. »Was könnte schlimmer sein, als zu glauben, man sei nie wirklich geliebt worden? Die Nachricht von Pauls Tod auf dem Ozean hätte Rose vielleicht hart getroffen, aber sie hätte die Hoffnung haben können, dass er sie wirklich geliebt hat. Vielleicht hätte sie sich dann, was das Kind betrifft, anders entschieden. Und vielleicht hätte sie die Chance bekommen, noch einmal zu lieben.«
In dem Augenblick ging Ellens Handy los. Überrascht fuhr sie in die Höhe, fischte das bimmelnde Gerät aus der Tasche und verschwand damit in der Küche.
»Also wenn das jetzt kein Zeichen ist«, bemerkte Gabriel, zog Lilly erneut an sich und küsste sie. Diesmal wesentlich leidenschaftlicher und verlangender als vorher vor Ellen.
»Was soll denn meine Cousine von uns denken?«, fragte Lilly vorwurfsvoll.
»Dass wir beide wahnsinnig verliebt sind?«
Lilly lächelte breit. »Okay, du hast recht. Ich hoffe, du hast Zeit und kannst eine Weile in Deutschland bleiben. Ich würde dir gern meinen Laden zeigen.«
»Hm, ich weiß nicht, wenn du keine Kuckucksuhren hast …«
Epilog
Sonnenlicht flutete ihre Wohnung in der Berliner Straße, als ein Klingeln Lilly unsanft aus ihrem Schlummer riss. Murrend öffnete sie die Augen und griff nach dem Telefon neben sich.
»Kaiser.«
»Du wirst es nicht glauben!«, tönte Ellens Stimme durch den Hörer.
»Ellen?« Lilly rieb sich übers Gesicht. Die vergangene Nacht war doch länger gewesen, als sie geplant hatte, und nun stellte sie mit einem Blick auf den Wecker fest, dass es bereits nach zehn war. »Was werde ich nicht glauben? Hast du im Lotto gewonnen?«
»Nein, wir haben Post bekommen!«
»Post?«
Um diese Uhrzeit war ihr Verstand einfach noch zu träge, um zu begreifen, was Ellen meinte. Und warum sie so aufgekratzt war.
»Enrico hat geschrieben. Erinnerst du dich?«
Während die Müdigkeit langsam von ihr abfiel, hatte sie wieder den Bahnhof von Cremona vor Augen und den wunderschönen Palazzo . Und natürlich auch seinen gutaussehenden Bewohner.
»Ja, ich erinnere mich.« Und auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »O mein Gott,
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