Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
gehörte dem Klang nach zu einer älteren Dame. Die steigerte sich zunehmend in Panik, ihre Stimme überschlug sich: „Ich bin ganz allein!“
„Wo sind Sie? Wir kommen sofort, wenn Sie uns sagen, wo wir hin müssen - Anruf zurückverfolgen, schnell! Eine Frau ist in Not – hören Sie mich? Wohin müssen wir? Hallo? Hören Sie mich?“ Wenige Augenblicke später signalisierte ein Knacken in der Leitung, dass die Verbindung abgebrochen worden war.
Als Kommissarin Mona Jacobi gleichzeitig mit zwei Streifenwagen vor dem Anwesen in der Brunostraße in Konz eintraf, eilte gerade eine dunkel vermummte Gestalt aus dem Vorgarten, und lief seitlich am Haus vorbei über eine schmale Wiese davon in Richtung Mosel. Geistesgegenwärtig rief Mona: „Halt! Stehen bleiben, Polizei!“ Kurz zögerte die Gestalt, drehte sich dann jedoch um und gab zwei Schüsse in Richtung der Polizisten ab. Dann rannte sie weiter. Mona zielte dem Flüchtenden auf den Unterschenkel und schoss, woraufhin der kurzzeitig ins Stolpern kam, nach seinem linken Bein griff und schrie: „Aaaaaaaaaah… verdammt!“, sich aber gleich wieder aufrappelte und stolpernd weiter hetzte.
„Ist jemand verletzt?“, Mona blickte sich hastig in den eigenen Reihen um. Dann gab sie Befehle: „Paul und Mario, hinterher! Richard, du kommst mit mir, wir werden nachsehen, was drin los ist.“
Am Haus mit der Nummer Fünf stand die Tür weit offen, Mona und Richard traten ein. Bereits im Eingangsbereich war klar, dass hier ein Einbruch stattgefunden hatte. Von dem alten Sekretär in der Diele standen alle Schubfächer und Türen auf, der Inhalt lag wild verstreut auf dem Fußboden. „Frau Schabio? Können Sie uns hören? Frau Schabio? Wo sind Sie?“
Nachdem sie mit der nötigen Vorsicht jede Tür des Erdgeschosses geöffnet und sich vergewissert hatten, dass niemand dahinter war, eilten Mona und Richard die Treppen hinauf in den ersten Stock. Dort stand eine Zimmertür weit offen, im Raum dahinter brannte Licht. „Frau Schabio?“ Mona trat ein und sah Frau Schabio in ihrem Blut liegen. Eine klaffende Wunde im Kopf hatte sie offensichtlich niedergestreckt, und auch in diesem Zimmer waren die Schränke offensichtlich mit großer Brutalität ausgeräumt worden.
Mona kniete sich neben die leblose Frau und griff nach ihrem Arm. Doch sie konnte keinen Puls mehr fühlen. „Sie ist tot“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. „Wahrscheinlich eine Schussverletzung.“
„Raubmord?“ Richard war entsetzt, Mona nickte: „Sieht so aus.“ Diese Momente waren es, die sie an der Richtigkeit ihrer Berufswahl zweifeln ließen. Sie waren zu spät gekommen. Das tat weh.
„Ich hole einen Arzt.“, Richard tippte bereits die Nummer in sein Mobiltelefon.
***
Als ein weiteres: „Aaaaaaaaaaah… verdammt!“, deutlich und nun noch eine Spur lauter zu hören war, klappte Mona die Zeitschrift zu. Auf den Krimi konnte sie sich nicht mehr konzentrieren.
„Flucht ist keine Schande, nicht wahr?“, raunte der Mann neben ihr und grinste von einem Ohr zum anderen. Er hatte offenbar ihre Unruhe bemerkt. Mona bemühte sich ebenfalls um ein Lächeln, was gründlich misslang. Und als erneut dieses langgezogene „Aaaaaaaaaaaaaaaa…“ zu hören war, war sie plötzlich sicher.
Sie sprang auf, warf das Heft zurück auf den Tisch und verließ das Wartezimmer.
„Hey, hey!“, rief der Witzbold neben ihr noch. „So schlimm wird es schon nicht werden! Bleiben Sie doch!“
Doch Mona eilte bereits energisch an der Rezeption vorbei, zielstrebig auf die Tür des Behandlungszimmers zu, aus welchem der lang gezogenene Schmerzensschrei gekommen war.
Ohne anzuklopfen trat sie ein. Der typische Geruch von Desinfektionsmitteln schlug ihr entgegen und ließ sie mit Schaudern an die bevorstehende Behandlung denken. Dann erblickte sie den wartenden Patienten im Behandlungsstuhl. „Na endlich!“, keuchte der, als er sie eintreten hörte, ohne sich nach ihr umzudrehen. „Ich kann es nicht mehr aushalten. Machen Sie diesem Elend um Himmels Willen ein Ende!“
Mona blickte sich kurz um. Die Geräusche im Zimmer nebenan waren eindeutig. Immer noch kreischte der Bohrer, nun in etwas tieferen Tonlagen, und der Speichelsauger schlürfte parallel dazu.
„Das werde ich“, erwiderte sie in Richtung ihres Patienten und griff nach den Handschellen, die sie auch zivil bei sich hatte.
Sie trat jetzt dicht an den Patienten heran. Ganz kurz nur streifte ihr Blick all die medizinischen
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