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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fast waldartigen Gewölbes standen, geformt aus den Arkaden, die sich auf kleinen, die Seitenwände der Vorhalle stützenden Säulen erhoben. Und kaum daß meine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, traf mich wie ein Schlag die stumme Rede des bebilderten Steins, die den Augen und der Phantasie eines jeden verständlich ist (denn pictura est laicorum literatura ), und stürzte mich tief in eine Vision, von der meine Zunge noch heute nur stammelnd zu berichten vermag.
    Ich sah einen Thron, der gesetzt war im Himmel, und auf dem Thron saß Einer, und Der Da Saß, war streng und erhaben anzusehen, die weitgeöffneten Augen blickten funkelnd auf eine ans Ende ihrer irdischen Tage gelangte Menschheit. Prächtige Locken und ein majestätischer Bart umrahmten sein Antlitz und fielen auf seine Brust gleich den Wassern eines Stromes in lauter ebenmäßigen und symmetrischen Wellen. Die Krone auf seinem Haupte war reich mit Gemmen und Edelsteinen geschmückt, das herrliche Purpurgewand, durchwoben mit goldenen Litzen und Spitzen, umhüllte in weiten Falten seine Gestalt. Mit der Linken hielt er auf dem Knie ein versiegeltes Buch, die Rechte hob er zu einer Geste, von der ich nicht sagen kann, ob sie segnend war oder drohend. Sein Antlitz leuchtete in der blendenden Schönheit eines kreuzförmigen und blumengeschmückten Heiligenscheins, und ein Regenbogen war um den Thron, anzusehen gleich einem Smaragd. Und vor dem Thron, zu Füßen des, Der Da Saß, war ein gläsernes Meer wie aus Kristall, und um den Sitzenden, um seinen Thron und darüber, sah ich vier schreckliche Tiere –
    schrecklich für mich, der ich sie hingerissen betrachtete, aber lieblich und süß für den Sitzenden, dessen Lob sie sangen ohn' Unterlaß.
    Genaugenommen konnte man nicht von allen vier Tieren sagen, daß sie schrecklich anzusehen waren, denn schön und edel erschien mir jenes in Menschengestalt, das links von mir (also zur Rechten des Sitzenden) ein Buch in der Hand hielt. Aber erschaudern machte mich auf der anderen Seite ein Adler mit weitaufgerissenem Schnabel und mächtigen Klauen, die borstigen Federn als Schuppenpanzer gestaltet, die Schwingen wie zum Fluge gebreitet. Und zu Füßen des Sitzenden, unter den beiden ersten Tieren, sah ich einen Löwen und einen Stier, beide hielten ein Buch in ihren Pranken und Hufen, beide hatten den Körper abgewandt vom Throne, aber den Kopf zu ihm hin, als drehten sie gerade Schulter und Hals in wildem Ungestüm, die Flanken bebend, die tierischen Glieder zuckend, die Rachen geöffnet, die Schwänze gewunden wie Schlangen und endend in kleinen züngelnden Flammen. Beide waren geflügelt, beide 31
    Der Name der Rose – Erster Tag
    gekrönt mit Heiligenscheinen, und waren trotz ihres furchtbaren Anblicks keine Geschöpfe der Hölle, sondern solche des Himmels, und wenn sie mir schrecklich erschienen, so weil sie brüllten in Anbetung dessen, der da kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.
    Rings um den Thron, um die vier Tiere und zu Füßen des Sitzenden, wie durchscheinend unter dem Wasser des gläsernen Meeres und fast den ganzen verbleibenden Raum der Vision erfüllend (angeordnet gemäß der triangulären Struktur des Tympanons in einer unteren Reihe von zwei mal sieben, darüber zu Seiten des Throns zwei mal drei und darüber wiederum zwei mal zwei), sah ich vierundzwanzig Greise auf vierundzwanzig kleinen Thronen sitzen, gekleidet in weiße Gewänder, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen. In der Hand hielten sie bald ein Räuchergefäß, bald eine Laute; nur einer von ihnen spielte, doch alle blickten verzückt empor zu dem Sitzenden und sangen unaufhörlich sein Lob, die Glieder verdreht wie die der beiden unteren Tiere, aber nicht in tierischer Weise, sondern wie in ekstatischem Tanze – wie David um die Lade getanzt haben muß –, dergestalt daß, wo immer sie sich befinden mochten, ihre Blicke entgegen dem Gesetz, das die Haltung ihrer Körper beherrschte, in ein und demselben strahlenden Punkte zusammentrafen. Oh, welche Harmonie von Hingabe und Entrückung, von unnatürlichen und doch anmutigen Haltungen, in dieser mystischen Sprache der wie durch ein Wunder vom Gewicht ihrer Körperlichkeit befreiten Glieder, gestaltete Vielfalt, übergössen mit neuer Wesensform, als würde die heilige Heerschar getrieben von einem stürmischen Wind, von einem lebenspendenden Odem, rasende Freude, hallelujatischer Jubel, durch ein Wunder aus Klang zu Bild geworden!
    Körper und

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