Der neue Frühling
war dieser Maske würdig.
Seit vier Tagen waren die Läufer eingetroffen, die von der Heimkehr berichteten; atemlos taumelten sie in die Stadt herein und brachten die neuesten Meldungen über die Südwärtsbewegungen des Heerwurms. »Jetzt stehen sie bei Tikhaleret«, erschallte der Ruf, und fast sogleich danach: »Sie haben Samarak erreicht!« Und dann: »Nein! Sie nähern sich Ghomino!« Thu-Kimnibol, sagten die Boten, reite stolz an der Spitze, und Nialli Apuilana sei an seiner Seite, und dahinter folge das ganze Heer, so weit das Auge reichte.
Thu-Kimnibol hatte gleichfalls eigene Kuriere vorausgesandt, die von dem Waffenstillstandsabkommen kündeten, das dem Krieg ein Ende gemacht hatte. Sie überbrachten auch die erste offizielle Nachricht von Hreshs Tod. Doch dies bestätigte Taniane nur, was sie bereits wußte, denn sie hatte Hreshs Anwesenheit in der Welt nicht mehr gefühlt – seit jenem Tag der merkwürdigen dumpfen Betäubtheit, als Puit Kjai ihr mit seinem Gerede von Aufruhr gekommen war; trotzdem war es eine bittere Nachricht. Und König Salaman war ebenfalls tot, sagte man, gestorben an Gram und Erschöpfung, nachdem ihm die Hjjk einen schweren Verlust zugefügt hatten.
Taniane fragte sich, was Hresh da droben auf Hjjk-Gebiet und in der Kampfzone zu suchen gehabt hatte. Dort hätte sie ihn zu allerletzt vermutet. Doch offensichtlich war Hresh sich bis zum letzten Tag treu geblieben und seinen eigenen Gesetzen gefolgt. Vielleicht würde Nialli ihr später das Rätsel dieser seiner letzten Fahrt aufklären.
Opa Staip stand zitterig und unsicher zu ihrer Linken, als sie ihren Platz auf der Schautribüne einnahm. Simthala Honginda und Catiriil waren neben ihm. Puit Kjai hatte sie zur Rechten, daneben Chomrik Hamadel, beide prachtvollst behelmt. Vor und etwas unterhalb von ihnen, in vorderster Reihe der unteren Podiumsetage, war ein Trupp Stadtgardisten unter dem Kommando von Chevkija Aim plaziert.
Nach und nach erkletterten auch die übrigen Präsidiumsmitglieder die Tribüne. Taniane begrüßte sie entsprechend. Auf dem Boden fand sich nach und nach eine Menschenmenge ein.
Puit Kjai neigte den Kopf zu Taniane und sagte leise: »Sei heute auf der Hut, Edle. Ich fürchte, deine Feinde könnten leicht den heutigen Tag dazu benutzen, uns Ärger zu bereiten.«
»Irgendwelche stichhaltigen Beweise dafür?«
»Nur Tratsch und Gerede.«
Taniane zuckte die Achseln. »Gerede!«
»Aber oft versteckt sich dahinter etwas Wahres, Herrin.«
Sie deutete in die Ferne, wo sie weit entfernt über der Straße eine graue Staubwolke zu sehen glaubte. »In Kürze ist Thu-Kimnibol hier«, sagte sie. »Und meine Tochter. Mit einem Heer ihnen ergebener Gefolgsleute. Niemand wird es riskieren, angesichts einer derartigen Streitmacht im Anmarsch Ärger zu machen.«
»Sei dennoch auf der Hut!«
»Das bin ich immer.« Dann aber fuhren ihre Finger unruhig über die glatte schimmernde Koshmar-Maske. Sie blickte umher. »Husathirn Mueri ist nicht da. Er fehlt als einziger. Wieso?«
»Nun, ich nehme an, es bereitet ihm nicht gerade eine übermäßige Freude, Thu-Kimnibols triumphale Rückkehr mitzufeiern.«
»Aber er ist und bleibt ein Prinz des Präsidiums. Sein Platz ist hier bei uns.« Sie wandte sich um und winkte Catiriil zu. »Dein Bruder!« rief sie scharf und laut. »Wo ist er?«
»Er sagte, er wollte zuerst in sein Bethaus. Aber er kommt bestimmt rechtzeitig. Da bin ich sicher.«
»Das hoffe ich für ihn!« sagte Taniane.
Auch Husathirn Mueri war an diesem Tag früh aufgestanden. Die Nacht war ihm lang geworden, er hatte bestenfalls ein bißchen unruhig dagelegen, und war im Grunde recht erleichtert, bereits im Morgengrauen aufzustehen. Seine Träume – sofern er für kurze Augenblicke einschlummerte – waren bedrückend gewesen: Singende Hjjkkämpfer tanzten in der Finsternis Ringelreihen um ihn herum und herum und herum, und die überwältigende Körpermasse der Königin, monströs geschwollen und bleich, hing über ihm als titanisches Gewicht am Himmel und fiel gemächlich auf ihn herab. Die Frühmette im Bethaus hatte bereits begonnen, als er dort eintraf. Tikharein Tourb führte die Gemeinde an, und Chhia Kreun stand bei ihm am Altar. Husathirn Mueri glitt auf den Platz ganz hinten, den er üblicherweise einnahm. Chevkija Aim, tief ins Gebet versunken, nickte ihm beiläufig zu. Sonst kümmerte sich keiner in der Nähe um ihn. Inzwischen war es kein Anlaß zum Gaffen mehr, wenn ein Prinz der Stadt sich in
Weitere Kostenlose Bücher