Der parfümierte Todeshauch
Mädchen, das zwei oder drei Tage
darauf um Punkt 17 Uhr an meiner Wohnungstür läutete, sah aus, als wäre es
soeben aus dem Bett gestiegen. Unter einem schief zugeknöpften Trenchcoat trug
die Kleine eine Bluse, die sie offenbar rasch übergestreift und nachlässig in
den Bund des Minirocks gestopft hatte, in den sie ebenfalls in fliegender Hast
geschlüpft war. Ihre dunklen Haare waren ungekämmt, doch mit ihren blauen Augen
in dem ungeschminkten Gesicht machte sie einen sehr gepflegten und sauberen
Eindruck. Sie trug keine Strümpfe und ihre nackten Beine steckten in
Lederstiefeln. Ich hatte das Gefühl, sie schon einmal irgendwo gesehen zu
haben, doch das war wohl nur eine Täuschung. Heutzutage sehen die jungen
Mädchen alle gleich aus; Figur und Gesicht richten sich nach der von den
Frauenzeitschriften vorgeschriebenen Tagesmode. So konnte man früher ein ganzes
Bataillon von Bardots bewundern. Heute ist eine andere Schönheit das Vorbild.
«Sind Sie... sind Sie Nestor Burma?» fragte sie,
nachdem ich die Tür geöffnet hatte.
Ihre Stimme war leise, und ihr Atem ging
stoßweise, so als hätte sie einen Dauerlauf hinter sich. Ihre Brust hob und
senkte sich heftig.
«Ja, ich bin Nestor Burma», bestätigte ich.
«Ich muß mit Ihnen reden.»
«Dann kommen Sie mal rein.»
Auf wackligen Beinen betrat sie meine Wohnung, machte
nicht mehr als zwei, drei Schritte und wurde leichenblaß, ihre Nasenflügel
zogen sich zusammen... Ich stürzte zu ihr, gerade noch rechtzeitig, um die
Ohnmächtige aufzufangen.
Als vorabendlicher Apéritif nicht schlecht!
Ich bettete sie auf einen Sessel und machte mich
daran, sie wieder ins Leben zurückzurufen. Ich schlug ihr kräftig in die
Handflächen, versetzte ihr ein paar leichte Ohrfeigen, aber alles für die Katz.
Schließlich kam ich auf die Idee, daß sie vielleicht ein wenig Luft bräuchte.
Und nachdem ich ihren Trenchcoat aufgeknöpft hatte, tat ich dasselbe mit ihrer
Bluse.
Die zweite Apéritif-Runde, ähnlich berauschend
wie die erste, allerdings mit einer Zitronenscheibe: Die Kleine trug keinen
Büstenhalter, dafür hatte sie über der rechten Brust eine Wunde, die von einem
scharfen Gegenstand (Messer oder Rasierklinge) herrührte.
Die Verletzung war zwar ziemlich tief, aber
nicht weiter gefährlich und bereits halb vernarbt. Trotzdem hätte ein
Notverband nicht geschadet. Ich ging ins Badezimmer, um die notwendigen
Utensilien zu holen. Bevor ich mich ans Werk machte, untersuchte ich noch ihre
Kleider. Mir war nämlich etwas Merkwürdiges aufgefallen. Ja, das Blut hatte
einen blassen Flecken auf ihrer Bluse hinterlassen, aber das war auch alles.
Bluse und Mantel waren weder zerrissen noch von einer Klinge geritzt worden.
Schlußfolgerung: Als meine Besucherin verletzt worden war, mußte sie andere
Klamotten angehabt haben... oder gar keine!
Noch ganz in meine Träumereien vertieft,
betätigte ich mich als Krankenpfleger. Ich kämpfte gerade mit einer
superklebrigen Heftpflasterschlange, als meine Patientin aus ihrer Ohnmacht
erwachte. Sie sah mich über ihre entblößte Brust gebeugt, stieß einen leisen
Schrei aus, stieß mich dann heftig zurück und bedeckte mit gespreizten Händen
ihre hübschen kleinen Knospen. Ich gab mir alle erdenkliche Mühe, sie davon zu
überzeugen, daß ich sie ganz und gar nicht vergewaltigen wollte, sondern ganz
einfach dabei war, ihre Schnittwunde zu behandeln. Sie glaubte mir dann auch
und beruhigte sich. Ich dagegen war den Zirkus so langsam leid und hätte gern
gewußt, was das Ganze sollte. Doch ich wartete lieber, bis sie wieder völlig zu
sich kommen würde. Im Augenblick schien sie fix und fertig zu sein.
«Ruhen Sie sich aus», sagte ich. «Sie wollten
mit mir reden. Das können wir später immer noch tun, sobald Sie wieder auf dem
Damm sind. Und wenn Sie Durst haben...»
Ich hatte mir etwas zu trinken eingegossen, das
Glas jedoch nicht angerührt. Ich schob es zu ihr hinüber.
«Danke», flüsterte sie.
Träge und linkisch brachte sie ihre Bluse wieder
in Ordnung, schloß die Augen, stieß einen tiefen Seufzer aus und kuschelte sich
bequem und entspannt in den Sessel.
Ich ließ sie sich entspannen und ging ins
Nebenzimmer. Unterwegs nahm ich die Handtasche an mich, die sie beim
Hereinkommen unter ihren Arm geklemmt hatte und die bei ihrem Ohnmachtsanfall
auf den Boden gefallen war. Nebenan untersuchte ich in aller Ruhe den Inhalt
der Tasche. Sie enthielt ein parfümiertes Taschentuch, etwas feucht, so als
hätte
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