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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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der jedem Weiberrock nachlief. Es war zu befürchten, dass er Johannas Selbstlosigkeit gehörig ausnutzen würde.
    Als Clara ihren Mann einmal darauf angesprochen hatte, ob Meinwart wirklich der Richtige sei für ihre Tochter, hatte Heinrich gelacht. «Der Junge ist halt im Alter, wo er sich die Hörner abstößt. Besser jetzt als im Stand der Ehe. Unser Benedikt dürfte sich da ruhig was abschauen – so wie der sich immer nur in seine Arbeit vergräbt.»
    Während der kurzen Wegstrecke hinüber ins Haus Zum Grünen Baum verlangsamten sich Claras Schritte. Sie verspürte keinerlei Lust, bei den Grünbaums vorbeizuschauen – aberimmer noch besser sie selbst als ihr Sohn. Warum nur musste Heinrich immer gleich so voreilig seine Hilfe anbieten? Was ging es ihn an, wenn die Juden einen Arzt hatten, der selbst ständig krank war? Sollten sich die Grünbaums doch anderweitig um ihre Heilmittel und Kräuter kümmern.
    Sie setzte ihren Einkaufskorb ab und rammte den goldfarbenen Türklopfer gegen das Holz. Dabei bemühte sie sich, ihren Blick vom rechten Türpfosten fernzuhalten, an dem, wie an allen Türen der Juden, eine längliche Metallkapsel befestigt war. Ihr Mann hatte zwar behauptet, sie enthalte einen Pergamentstreifen mit dem jüdischen Glaubensbekenntnis, aber sie hielt es eher mit dem, was die Leute hier munkelten. Das geheimnisvolle Ding nämlich habe mit Zauberei zu tun, die die Hebräer heimlich ausübten. Die Flickschneiderin von der Oberen Linde behauptete gar, auf jenem Pergament sei der Pakt mit dem Leibhaftigen besiegelt, und zur Bekräftigung des Bundes küssten die Juden dieses Ding beim Übertreten der Schwelle, indem sie die Fingerspitzen der rechten Hand an die Metallkapsel und dann zum Mund führten.
    Clara selbst hatte im letzten Jahr mit angehört, wie der alte Moische ben Chajm, nach seinem Haus allgemein Grünbaum genannt, beim Anbringen der Kapsel beschwörende Worte gesprochen hatte, die klangen wie:
Bara Atah Adona.
Das sei Hebräisch, hatte Heinrich ihr weismachen wollen, die Sprache ihrer Vorväter. Aber warum sollte sie das glauben, wo ihr Mann doch kein Wort Hebräisch verstand? Sie waren ums Haar in Streit geraten, wie schon häufiger, wenn es um die Grünbaums ging.
    Sie klopfte erneut, als die Tür auch schon aufsprang.
    «Guten Morgen, Frau Nachbarin.» Das Dienstmädchen knickste höflich. «Kommt nur herein.»
    Clara folgte dem Mädchen durch die düstere Eingangshalle die Treppe hinauf in die Wohnstube, an deren Türrahmen ebenfalls einer dieser metallenen Behälter hing. Mit gesenktem Blick ging sie daran vorbei und betrat das geräumige, hellerleuchtete Zimmer. Stickige Wärme schlug ihr entgegen.
    Als ihr Blick durch den Raum schweifte, staunte sie einmal mehr über die prächtige Ausstattung im Innern des Hauses, das sich äußerlich so gar nicht unterschied von den eher schmucklosen Häusern in dieser Ecke der Stadt. Flauschige, bunte Teppiche aus dem fernen Morgenland bedeckten den Dielenboden, die Wände waren mit bestickten Vorhängen bespannt, auf den Bänken entlang der Wand luden dickgepolsterte Sitzkissen aus dunkelrotem Samt zum Ausruhen ein. Alles, was bei ihnen drüben aus blankem, rohem Holz gezimmert war, sah man hier mit weichen, warmen Stoffen überzogen, und wo nicht, boten sich dem Auge kunstvolle Schnitzereien oder kostbare Eisenbeschläge, wie bei den Türen und Truhen. Auf der Anrichte blitzte das Silber und Kupfer von Leuchtern und Trinkgefäßen, dazwischen fanden sich Dosen, Kästchen und Täfelchen, in die fremdartige Schriftzeichen geritzt waren. Allein die vielen Wachskerzen in den Leuchtern, die jetzt im Winter, wo die Fensterläden geschlossen waren, allesamt angesteckt waren, mussten ein Vermögen gekostet haben!
    Ein röhrender Hustenanfall ließ Clara zusammenzucken. Auf einem gepolsterten Lehnstuhl, dicht bei der Ofenwandung, die mit jenen neuartigen, grünglasierten Kacheln verkleidet war, sah sie die Hausherrin sitzen. Kopf und Hals hatte sie mit einem dicken Tuch umhüllt.
    «Grüß dich Gott, Deborah. Das hört sich gar nicht gut an.»
    «Friede sei mit dir», krächzte die Frau.
    «Hier, das soll ich dir von meinem Heinrich geben. Eibischwurzelgegen den Husten. Soll er heut noch nach dir sehen?»
    Deborah winkte ab. «Er hat die Paste doch wohl hoffentlich so zubereitet, wie Moische es ihm erklärt hat?»
    «Das musst du ihn schon selbst fragen. Ich kenn mich mit euren Speisevorschriften nicht aus.»
    Clara stellte den Tiegel auf der

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