Der Pfeil der Rache
zuweisen.«
»Sie wissen genau, dass nur solche regelmäßig üben, die den Bogen gern zur Hand nehmen«, schnaubte Barak verächtlich. »Da mag der König so viele Gesetze erlassen, wie er will. Es ist Schwerstarbeit, und wer es zur Meisterschaft bringen will, braucht Disziplin.« Seine Miene war ernst. »Es hat keinen Zweck, Gesetze zu erlassen, die man nicht durchsetzen kann, weil sie so unbeliebt sind. Lord Cromwell wusste das, er wusste genau, wo er die Grenze zu ziehen hatte.«
»Das Waffengesetz ist dennoch in Kraft. Ich habe noch nie dergleichen erlebt. Und gestern sah ich die Konstabler die Straßen nach Bettelleuten und Vagabunden absuchen, die auf den Galeassen rudern sollen. »Weißt du übrigens schon das Neueste? Angeblich sind französische Truppen in Schottland gelandet und erhalten Verstärkung von den Schotten, die sich ebenfalls gegen uns kehren.«
»Das Neueste!«, schnaubte Barak verächtlich. »Wer bringt solche Gruselgeschichten in Umlauf? Die Beamten des Königs. Und warum? Um das Volk davon abzuhalten, sich gegen den Hof aufzulehnen, wie anno 36. Gegen die Steuern und den Währungsverfall. Hier, seht Euch das an!« Seine Hand glitt in den Beutel. Er holte eine kleine Silbermünze heraus und klatschte sie auf den Tisch. Ich hob sie auf. Und starrte in das feiste Gesicht des Königs.
»Eine der neuen Shilling-Münzen«, sagte Barak. »Ein Testoon.«
»Ich habe noch keine gesehen.«
»Tamasin war gestern mit der Gevatterin Marris auf dem Markt in Cheapside. Dort gibt es sie zuhauf. Seht Euch nur die blasse Färbung an. Dem Silber ist so viel Kupfer beigemengt, dass man nur Waren im Wert von acht Pence dafür erhält. Die Preise für Brot und Fleisch indes steigen ins Unermessliche. Dabei gibt es ohnehin kaum noch Brot zu kaufen, weil der Großteil für die Armee beschlagnahmt wird.« Baraks braune Augen blitzten zornig auf.
»Glaubst du wirklich, dass es die französische Flotte, die uns angreifen will, gar nicht gibt?«
»Keine Ahnung, aber möglich wär’s.« Nach kurzem Zögern sagte er plötzlich: »Ich glaube, sie wollen mich rekrutieren.«
»Was?« Ich richtete mich kerzengerade auf.
»Der Konstabler ging vorigen Freitag mit einem Soldaten von Tür zu Tür und registrierte alle Männer im wehrfähigen Alter. Ich sagte den beiden, dass meine Frau ein Kind erwarte, woraufhin der Soldat nur meinte, ich würde gesund aussehen. Ich schnippte mit den Fingern und jagte ihn zum Teufel. Das Dumme ist nur, dass er gestern zurückkam. Tamasin hat’s mir erzählt. Sie sah ihn durchs Fenster und ging nicht an die Tür.«
Ich seufzte. »Deine Dreistigkeit wird dir noch einmal zum Verhängnis.«
»Tamasin sagte das Gleiche. Aber die Armee nimmt keine verheirateten Männer mit Kindern auf. Zumindest nicht viele.«
»Die Sache ist ernst. Wir stehen kurz vor der Invasion, warum sollte man wohl sonst so viele Soldaten rekrutieren? Sei nur ja auf der Hut.«
Barak sah rebellisch drein. »Alles wäre in bester Ordnung, hätte der König im vorigen Jahr nicht Frankreich überfallen. Vierzigtausend Männer hat er über den Kanal geschickt, und was ist geschehen? Sie mussten mit eingeklemmtem Schwanz den Rückzug antreten, bis auf die armen Teufel, die in Boulogne belagert werden. Ein jeder sagt, wir sollten es gut sein lassen, aus Boulogne abziehen und Frieden schließen, aber der König will nicht. Doch nicht unser Heinrich.«
»Ich weiß. Und ich gebe dir recht.«
»Wisst Ihr noch, wie sich vergangenen Herbst die Heimkehrer aus Frankreich, zerlumpt und pestkrank, auf den Straßen nach London tummelten?« Seine Miene wurde hart. »Tja, das soll mir nicht geschehen.«
Ich blickte auf meinen Gehilfen. Es hatte eine Zeit gegeben, da Barak den Krieg als Abenteuer begrüßt hätte. Nun nicht mehr. »Wie hat der betreffende Soldat ausgesehen?«
»Ein stämmiger Bursche, etwa in Euren Jahren, mit schwarzem Bart, in der Uniform der Londoner Trained Bands. Sah aus, als hätte er bereits gedient.«
»Er war verantwortlich für die Waffenschau. Vermutlich ein Berufssoldat. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen, wie mich dünkt.«
»Nun, wenn er alle Rekruten in Augenschein nimmt, ist er hoffentlich zu sehr beschäftigt, um sich mit mir zu befassen.«
»Dein Wort in Gottes Ohr. Falls er doch wiederkommt, musst du es mir sagen.«
»Danke«, sagte er leise.
Ich griff nach dem Brief auf dem Schreibtisch. »Als Gegenleistung hätte ich gern deine Meinung hierzu.« Ich reichte ihm das
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