Der Piratenfuerst
furchtbar. Beim ersten Hieb auf seinen nackten Rücken brach Sullivan vö llig zusammen, und bei den weiteren Hieben, welche ihm zwei Maaten abwechselnd über Schultern und Rücken zogen, wand und krümmte er sich unter irrem Gebrüll. Er hatte Schaum vorm Mund; die Augen quollen ihm wie Glaskugeln aus dem verzerrten Gesicht.
Midshipman Armitage fiel beinahe in Ohnmacht; und manche, die eben mit ihrer Seekrankheit fertig geworden waren, fingen gleichzeitig an, sich zu übergeben. Das grobe Fluchen der Deckoffiziere und Maaten nützte gar nichts. Dann war es vorbei, und als »Wegtreten« befohlen wurde, ging es wie ein Seufzer der Erleichterung durch die Männer. Sullivan wurde losgebunden und zu Whitmarsh ins Lazarett geschafft, wo er ohne Zweifel zunächst eine doppelte Ration Rum bekam.
In den Tagen nach dem Strafvollzug fühlte Bolitho, wenn er auf dem Achterdeck patrouillierte oder Schiffsmanöver beobachtete, ständig die Blicke der Männer in seinem Rücken. Vielleicht sahen sie in ihm eher einen Feind als ihren Kapitän.
Oft genug hatte er sich gesagt: wenn man die Ehre eines Kommandos will, muß man auch alles andere, was damit zusammenhängt, akzeptieren. Nicht nur die Autorität und das stolze Gefühl, über ein lebendiges Schiff zu herrschen, sondern auch die Stöße und Püffe.
Es klopfte, und Herrick trat in die Kajüte. »Noch eine Stunde, bis wir unter Land sind, Sir. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich alles außer Marssegel und Klüver reffen lassen. Dann kommen wir leichter herein.«
»Trinken Sie einen Kaffee mit, Thomas!« Bolitho entspannte sich, als Herrick Platz nahm. »Ich frage mich, wie es mit uns weitergeht.«
Herrick nahm den Becher entgegen und probierte vorsichtig.
»Ich auch.« Er lächelte über den Becherrand hinweg. »Ein- oder zweimal dachte ich, wir würden überhaupt nicht mehr Land zu sehen kriegen.«
»Ja. Ich kann verstehen, wie manchen Leuten an Bord zumute ist. Viele haben die See überhaupt noch nicht gesehen, und schon gar nicht sind sie je so weit von England weg gewesen. Und auf einmal haben sie Afrika gleich backbords vor dem Bug. Anschließend segeln wir auf die andere Seite der Erde. Aber manche fangen wahrhaftig schon an, sich als Seeleute zu fühlen, obwohl sie vor vierzehn Tagen noch zwei linke Hände mit lauter Daumen hatten.«
Herrick lächelte noch breiter. »Das ist Ihr Verdienst, Sir. Manchmal bin ich dem Schicksal sehr dankbar, daß ich nicht Kapitän bin und keine Aussicht habe, einer zu werden.«
Bolitho betrachtete ihn nachdenklich. Der Riß war also verheilt. »Ich fürchte, die Entscheidung darüber liegt nicht bei Ihnen, Thomas.« Er stand auf. »Jedenfalls werde ich dafür sorgen, daß Sie ein eigenes Schiff kriegen, sobald sich Gelegenheit ergibt, und sei es auch nur, damit etwas von Ihrem wilden Idealismus in die Bilge geht.«
Sie grinsten einander an wie Verschworene.
»Jetzt hauen Sie ab, damit ich mir einen besseren Rock anziehen kann.« Er verzog das Gesicht. »Wir müssen unseren spanischen Freunden doch Respekt erweisen, wie?«
Eine gute Stunde später näherte sich die Undine, höchst eindrucksvoll über ihrem Spiegelbild schwebend, majestätisch langsam der Reede von Santa Cruz. In der hellen Sonne schien die Insel Teneriffa von lauter Farbe überzufließen. Starr vor Staunen blickten die Männer hinüber, und Bolitho hörte manchen Matrosen tief und ehrfürchtig aufseufzen. Die Berge lagen nicht mehr im Schatten; es war, als ob sie, von tausend Nuancen und Schattierungen überspielt, in der gleißenden Luft tanzten. Alles schien heller und größer als zu Hause; wenigstens kam es den unbefahrenen Männern so vor. Schimmernd weiße Häuser, blitzend blaue See mit brandungsumsäumten Stranden – manchem Mann verschlug es bei diesem Anblick Atem und Sprache.
Allday stand achtern an der Kampanje und murmelte: »Der eine oder andere von den Dons würde uns liebend gern eine Salve verpassen, wie wir da so schön langsam reinkommen. Darauf möcht' ich wetten.«
Bolithos Blicke überflogen noch einmal sein Schiff; er versuchte, es so zu sehen, wie man es von Land aus mustern würde. Die Undine sah höchst elegant aus, nichts deutete auf die anstrengende Arbeit hin, die nötig gewesen war, um sie so in Form zu bringen. Der schönste Wimpel flatterte von der Gaffel; sein Rot paßte genau zu den Scharlachröcken der Marineinfanteristen, die soeben auf dem Achterdeck antraten. Am Steuerborddecksgang hielt Tapril, der Stückmeister, eine letzte
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