Der Prinz und das Maedchen von nebenan
zusammen mit dem schmeichelhaftesten Foto, das sie hatte auftreiben können, bei der Internetpartnerbörse freigeschaltet worden, und tatsächlich hatten bereits zwei Männer darauf reagiert. Die erste der beiden Nachrichten stammte von einem Sechsundfünfzigjährigen, der behauptete, „im Herzen jung geblieben“ zu sein, und damit prahlte, noch über alle Zähne und volles Haar zu verfügen – beides wenig sehenswert, wie sie bei einem Blick auf sein Foto feststellte.
Die zweite kam von einem Mann, der kein Bild beigefügt hatte. Dass er sich den Spitznamen Mr Sexy zugelegt hatte, erfüllte Caro mit großer Skepsis. Außerdem stimmten sie in ihren Interessen lediglich zu sieben Prozent überein. „Ich suche eine Seelenverwandte. Ruf mich an und lass uns ein gemeinsames Leben beginnen“, hatte er geschrieben.
Bestimmt nicht! dachte sie.
Deprimiert und gelangweilt stand sie auf und ging in die Küche. Sie hatte an diesem Tag bisher ausschließlich von Salat gelebt und war entsprechend hungrig und schlecht gelaunt.
Zum Glück fand sie in Rekordzeit Stellas Geheimvorrat an Keksen. Gerade biss sie in das dritte Plätzchen, als es an der Tür klingelte. Es war bereits zwanzig Uhr, eine ungewöhnliche Zeit für Besuch – zumindest in Ellerby.
Egal, dachte sie. Langweiliger als ihre möglichen Partner auf right4u.com konnte niemand sein. Rasch schob sie sich den restlichen Keks in den Mund, eilte zur Tür und öffnete.
Vor ihr stand Prinz Philippe Xavier Charles de Montvivennes.
Vor Schreck verschluckte Caro sich, hustete und sprühte dabei Kekskrümel auf sein Jackett.
Ohne mit den Wimpern zu zucken, wischte er die Krümel beiseite. Lediglich das Lächeln auf seinen Lippen geriet für einen winzigen Augenblick ins Wanken.
„Caro Cartwright?“ Der olivfarbenen Teint und das glänzend schwarze Haar wiesen ihn als Südeuropäer aus, doch er sprach perfekt und akzentfrei Englisch – auch er hatte in England die Schule besucht. Aus überraschend hellen Augen betrachtete er Caro kühl und durchdringend.
Immer noch hustend, die Augen voller Tränen, klopfte Caro sich auf die Brust. „Ja, die bin ich“, stieß sie nach einer ganzen Weile mühsam hervor.
Um Himmels willen, dachte Philippe, dem es nur mit Mühe gelang, seine Enttäuschung zu verbergen. Lotty hatte behauptet, Caro wäre wunderbar und perfekt geeignet für ihren Plan. Von wegen! Er hatte eine zarte, distinguierte, elegante junge Dame erwartet, stattdessen bespuckte ihn eine seltsam gekleidete Gestalt mit aufreizenden Kurven zur Begrüßung mit Krümeln. Leuchtend blaue Augen unter dunklen Brauen und volles braunes Haar, das anscheinend auch durch Haarklammern nicht zu bändigen war, ließen sie gleichzeitig chaotisch und warmherzig wirken. Gekrönt wurde ihr Auftritt durch eine lilafarbene Leinenbluse, die möglicherweise vor vierzig Jahren aktuell gewesen war und vermutlich schon damals als hässlich gegolten hatte.
Drauf und dran, auf dem Absatz kehrtzumachen und nach London zurückzufliegen, fiel Philippe im letzten Moment seine Cousine wieder ein. Bei ihrem letzten Zusammentreffen war sie völlig verzweifelt gewesen. Sie hatte nicht geweint, doch ihr trauriger Blick und die Art, wie sie die Lippen zusammengepresst hatte, waren ihm ans Herz gegangen.
„Caro wird uns helfen“, hatte sie ihm im Brustton der Überzeugung versichert. „Das ist meine einzige Chance, Philippe. Bitte sag, dass du es tust!“
Also hatte er es ihr versprochen. Jetzt musste er zu seinem Wort stehen.
Verdammt!
Er setzte sein – wie ihm mehr als eine Frau versichert hatte – unwiderstehlichstes Lächeln auf. „Ich bin Lottys Cousin, Ph…“, begann er, doch Caro unterbrach ihn.
„Ich weiß, wer Sie sind“, sagte sie, offensichtlich unbeeindruckt von seinem Lächeln. „Was machen Sie hier?“
Einen Moment schwieg er verwirrt. „Hat Lotty mich nicht angekündigt?“
„Sie hat gesagt, Sie würden anrufen“, kam die Antwort in vorwurfsvollem Ton.
„Ich hielt es für einfacher, Ihnen Lottys Plan persönlich zu erklären“, konterte er hoheitsvoll.
Einfacher für dich vielleicht, dachte sie. Schließlich war nicht er ohne eine Spur von Make-up im Gesicht, dafür mit einem Keks im Mund, von einem attraktiven Mann überrascht worden.
Sie hatte geglaubt zu träumen, als der überaus elegant gekleidete Prinz auf ihrer Türschwelle stand. Er schien direkt den Seiten des Glitz-Magazin entsprungen, war groß und sonnengebräunt und von einer undefinierbaren
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