Der Prinz und das Maedchen von nebenan
Regierungsgeschäfte seiner Mutter überlassen. Lotty, sein einziges Kind, war eine perfekte Prinzessin: Wunderschön, ständig lächelnd und händeschüttelnd, wirkte sie nie gelangweilt oder schlecht gelaunt. Nie äußerte sie öffentlich einen unbedachten Kommentar, im Internet kursierten keine Fotos, die sie auf wilden Partys oder in unpassender Begleitung zeigten. Nicht der Hauch eines Skandals umgab sie.
„Das war leider nicht das einzige Unglück.“
Nach dem Tod von Lottys Vater hatte ein dramatisches Ereignis das andere gejagt. Ein Autounfall und ein Herzinfarkt hatten die letzten direkten Thronfolger dahingerafft, und einer von Lottys Cousins war enterbt worden und saß wegen Kokainhandels im Gefängnis.
So war, was die Medien gern als „die verwünschte Krone“ bezeichneten, völlig unerwartet an Philippes Vater Honoré gefallen. Die Krönung hatte angesichts der tragischen Umstände im kleinen Rahmen stattgefunden, dennoch war Philippes Abwesenheit in der Presse ausführlich diskutiert worden. Dass der derzeitige Kronprinz in diesem Augenblick in Ellerby weilte und neben einer völlig unbekannten jungen Engländerin auf der Couch saß, ahnte niemand.
„König Amaury hat sich mehr für griechische Geschichte interessiert und das Land nur zu gern seiner Mutter überlassen – zu deren großer Freude. Jetzt sind ihre Pläne allerdings hinfällig, und das behagt ihr gar nicht.“
„Kommt sie nicht mit Ihrem Vater zurecht?“
„Im Gegenteil, er verfügt über ebenso viel Pflichtgefühl wie sie.“
„Wo liegt dann das Problem?“ Es fiel Caro schwer, sich zu konzentrieren. Die ganze Zeit über ging ihr durch den Kopf, dass ein Prinz auf ihrem Sofa saß, noch dazu ein ausgesprochenes Prachtexemplar mit einem attraktiven Gesicht und durchtrainiertem Körper. Gleichzeitig war sie so hungrig, dass sie keinen klaren Gedanken zu fassen vermochte. Aus Sorge, ihr Magen könnte knurren, schlang sie die Arme fest um den Bauch.
„Können Sie sich das nicht denken?“ Er lächelte, doch sein Blick war kalt.
Angestrengt dachte sie nach. „Oh, Sie sind das Problem!“
„Sie haben es erfasst! Die Königinwitwe hält mich für einen schwachen, nutzlosen Tunichtgut, wie sie mir deutlich zu verstehen gegeben hat.“ Wieder lächelte er sarkastisch. „Natürlich hat sie recht. Engagement und Hingabe haben mich noch nie gereizt. Der Gedanke, dass die Zukunft der Montvivennes-Dynastie in meinen Händen liegt, bereitet ihr schlaflose Nächte. Sie sieht nur einen Weg, mich bei der Stange zu halten und dafür zu sorgen, dass ich das Land nicht ins Unglück stürze: eine Heirat mit Lotty.“
„Sie hat mir geschrieben, dass ihre Großmutter sie verheiraten will. Mich überrascht allerdings, dass die Königinwitwe Sie als geeigneten Kandidaten betrachtet“, fügte sie taktlos hinzu, was Philippe mit einem grimmigen Lächeln quittierte.
„Das tut sie nicht, doch aus ihrer Sicht ist es die einzige Lösung. Sie baut auf Lottys guten Einfluss und hofft, ich würde zur Ruhe kommen, sobald ich gebunden bin. Lotty ist sehr beliebt, das ganze Land würde unsere Heirat begrüßen. Und wenn alle anderen glücklich sind, ist es egal, wie Lotty und ich uns fühlen, oder? Schließlich entstammen wir dem Hochadel. Wir haben unsere Pflicht zu erfüllen, ohne zu klagen.“
„Die arme Lotty! Es ist so unfair. Nie kann sie tun, was sie will.“
„Genau.“ Philippe griff geistesabwesend nach seiner Tasse und drehte sie in den Händen. „Sie hatte gehofft, nach der Krönung des neuen Königs frei zu sein. Leider fehlt meinem Vater jedoch die Königin, da meine Mutter ihn vor Jahren verlassen hat. Nun muss Lotty erneut die Rolle der Landesherrin übernehmen und schlimmer … Ich habe sie zwar sehr gern, aber heiraten will ich sie ebenso wenig wie sie mich.“
„Wieso unternehmen Sie nichts dagegen? Lotty fällt es schwer, ihrer Großmutter etwas abzuschlagen, Sie jedoch können einfach Nein sagen.“
„Das habe ich bereits getan, doch so leicht gibt die Königinwitwe nicht auf. Ständig schickt sie uns zu gemeinsamen Auftritten und lässt ‚Informationen‘ über uns an die Presse durchsickern.“
„Das Glitz-Magazin erwähnte eine baldige Verlobung“, fiel Caro ein, und er nickte grimmig.
„Das ist Blanches Werk. Sie liebt diese Zeitschrift, weil sie gern und positiv über die europäischen Königshäuser berichtet. Ihre Strategie ist zugegebenermaßen nicht schlecht: Sie setzt ein Gerücht in die Welt, alle
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