Der Professor
Wagentüren in Stellung. Wolfe besaß so viel gesunden Menschenverstand, die Waffe der Kommissarin wegzuwerfen und zum Zeichen, dass er sich ergab, die Hände zu heben, eine übertrieben vorsichtige Geste.
Jennifer dagegen schien nichts zu hören und zu sehen außer dem röchelnden Atem des alten Mannes. Sie nahm seine Hand und drückte sie fest, als könnte sie ihm durch den Hautkontakt ein wenig von ihrer jugendlichen Kraft übertragen.
Adrian blinzelte schwach und sah sie wie ein Mann, der aus einem längeren Nickerchen erwacht und nicht sicher ist, ob er noch träumt, mit seinem trüben Blick an. Er lächelte. »Hallo«, flüsterte er. »Wie heißt du?«
Epilog
Tag des letzten Gedichts
P rofessor Roger Parsons las die ganze Semester-Hausarbeit von vorne bis hinten, dann ging er sie ein zweites Mal durch und schrieb am Ende der letzten Seite mit Rotstift: »Überragend, Miss Riggins.« Er dachte ein Weilchen nach, was er als Nächstes schreiben würde, sah zu seinem gerahmten, signierten Filmplakat von
Schweigen der Lämmer
auf, das ihm gegenüber an der Wand seines Dienstzimmers hing. Seine
Einführung in die Psychopathologie
hielt er seit fast zweiundzwanzig Jahren für Studenten, die Psychologie im Hauptfach studieren wollten, und er konnte sich an keine bessere Jahresabschlussarbeit erinnern. Der Titel lautete »Selbstzerstörerisches Verhalten bei Heranwachsenden«; Ms. Riggins hatte mehrere häufig anzutreffende antisoziale Muster bei Teenagern dekonstruiert und in psychologische Raster eingeordnet, die so komplex und anspruchsvoll waren, dass er dergleichen niemals von einem Studenten im ersten Jahr erwartet hätte.
Ganz offensichtlich hatte die junge Frau, die im Übungsraum immer vorne saß und sich am Ende der Stunde stets als Erste mit fundierten Fragen meldete, nicht nur sämtliche Artikel gelesen, für die es Extrapunkte gab, sondern auch noch eine Menge Bücher, die über die ausgehändigte Lektüreliste weit hinausgingen. Und so schrieb er: »Bitte kommen Sie bei nächster Gelegenheit in meine Sprechstunde, damit wir über ein Studienprogramm für Hochbegabte sprechen können. Vielleicht hätten Sie zusätzlich Interesse an einem Klinikpraktikum in den Sommersemesterferien. Gewöhnlich geht das an Examenskandidaten, aber wir könnten in Ihrem Fall eine Ausnahme machen.«
Es folgte die Note 1,0. Eine so gute Note hatte er nach seiner Erinnerung erst wenige Male vergeben und, soweit er sich entsann, noch nie im Rahmen einer Einführungsveranstaltung. Ms. Riggins’ Arbeit konnte sich eindeutig mit den Hausarbeiten messen, die er von älteren Semestern in seinen Hauptseminaren zur Psychopathologie erwartete.
Professor Parsons legte die Arbeit zuoberst auf den Stapel, den er nach der nächsten Vorlesung zurückgeben wollte – der letzten vor den Sommerferien. Nur widerstrebend nahm er den nächsten Essay zur Hand und begann mit der Korrektur. Es dauerte nicht lang, und er verzog gequält das Gesicht und stöhnte laut, da der Aufsatz bereits im zweiten Satz des ersten Abschnitts einen Tippfehler enthielt. »Haben die denn noch nie von einem Rechtschreibprüfungsprogramm gehört?« Schwungvoll strich er den Fehler leuchtend rot an.
Jennifer eilte aus ihrem Kurs über
Gesellschaftliche Tendenzen in der modernen Lyrik
und lief zügig über den Campus. Jeden Donnerstag folgte sie einer festen Routine, und obwohl sie wusste, dass dieses letzte Mal einige Änderungen nötig waren, wollte sie dennoch sicherstellen, dass sie sich so weit wie möglich an das Ritual hielt.
Ihre erste Station war ein kleiner Blumenladen im Zentrum der Stadt, in dem sie einen preiswerten gemischten Blumenstrauß kaufte. Sie suchte immer die kräftigsten, lebhaftesten Farben aus, selbst mitten im Winter. Ob es bitterkalt oder glühend heiß oder wie an diesem frühen Sommertag angenehm sonnig und mild war, sollte der Strauß etwas Besonderes sein.
Sie nahm die Blumen von der netten Verkäuferin entgegen, die sie von ihren vielen Besuchen kannte, aber noch nie nachgefragt hatte, weshalb sie mit solch bemerkenswerter Regelmäßigkeit kam. Jennifer nahm einfach an, dass die Dame zufällig mitbekommen hatte, wohin sie die Sträuße brachte. Sie lief schnell wieder in die Nachmittagssonne hinaus, legte die Blumen auf den Sitz ihres Wagens und fuhr zum Polizeirevier am anderen Ende der Stadt.
Gewöhnlich gab es in der Nähe freie Parkplätze, und bei den wenigen Gelegenheiten, wenn einmal an der Straße alles zugeparkt
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