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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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hinunter, Kurven wanderten über Leuchtschirme. Uwes Erwecken war in vollem Gange, nichts deutete darauf hin, daß irgendein Teilprozeß unregelmäßig verliefe. Erleichtert atmete sie auf – aber im nächsten Augenblick wies sie sich zurecht: In dieser Sache mußte sie um jeden ihrer Gefährten gleichermaßen besorgt sein.
    Plötzlich fühlte sie sich todmüde. Sie stand auf, turnte etwas, trank ein Glas Traubensaft und setzte sich wieder. Nacheinander schaltete sie sich in die Automatik der anderen Boxen ein, aber nirgends gab es Störungen, nirgends Anomalien. Bei Erich, der erst in knapp anderthalb Stunden an der Reihe war, hatte der Erweckungsprozeß noch gar nicht eingesetzt.
    Irina versuchte vergebens, mit diesem beruhigenden Ergebnis ihre Sorgen zu zerstreuen. Sie wußte genau, wie wenig diese von ihr kontrollierbaren Parameter über den komplizierten Organismus des menschlichen Körpers im Grunde genommen aussagten. Die Automatik konnte ja auch eine Abweichung festgestellt haben, die jetzt, im Prozeß des Erweckens, nicht zutage trat, aber später, im wachen Zustand, wenn der Körper sich wieder voll und selbständig versorgen mußte, schlimme Folgen zeigen würde.



Sie kämpfte mit ihrer Erregung. Wenn es tatsächlich eine Abweichung gegeben haben sollte, war es um so notwendiger, daß ihre Patienten – denn das waren die Gefährten für die ersten Stunden sowieso – nichts davon spürten.
    Irina rief sich zur Ordnung. Die Ursache für die drei Tage Differenz konnte ebensogut in einem anderen Bereich liegen. Die Anabiose wurde seit einem halben Jahrhundert in der medizinischen Praxis verwendet, zur Heilung von Krebs beispielsweise, aber nie, außer in den ersten Jahren, hatte es Abweichungen gegeben. Sie war ein fast vollkommen erforschter Prozeß. Doch wieder meldeten sich Bedenken: Selten war sie so lange ausgedehnt worden, in der Regel wurde sie für Tage, höchstens für Wochen angewandt…
    Die Apparatur ihres Arbeitsplatzes gab einen Summton von sich. Irina erschrak – Uwe wurde wach! Schnell kletterte sie in die Grabkammer hinunter.
    Ein Blick auf die Regelinstrumente an Uwes Anabiosebox zeigte ihr, daß sein Herz schon mitschlug. Mit geübten, präzisen Bewegungen bereitete sie einige Spritzen vor und füllte den Becher, der neben der Box stand. Dabei fand sie auch ihre innere Ruhe wieder.
    Durch die gläsernen Seitenwände sah sie, wie sich Uwes Brust zum ersten Atemzug hob. Irina ließ den Deckel hinaufgleiten und rief: „Langschläfer, aufwachen!“
    Uwe schlug die Augen auf. Irina beugte sich über ihn, so daß er ihr Gesicht sehen konnte, und fragte: „Erkennst du mich?“
    Uwe murmelte undeutlich: „… türlich… gestern schon gesagt… morgens nicht so schreien…“
    Uwe schloß die Augen, hob mühsam den Arm und schob die Hand dem Hals zu. Irina nahm seine Hand und hielt sie fest. Sie war etwas kühl und schlaff, aber trocken.
    „Mach die Augen auf!“ sagte sie leise, aber energisch. Uwe war folgsam. „Ich werde dich jetzt aus der Kreislaufmaschine ausschalten“, sagte Irina, „es tut etwas weh, aber das ist in Ordnung so.“
    Sie legte den Hebel der Halsmanschette um. Uwe klapperte mit den Augenlidern. Dann fiel die Manschette auseinander.
    „Achtundzwanzigster August einhundertzwölf!“ sagte Uwe plötzlich. „Du hast noch nie jünger und schöner ausgesehen.“
    Für einen Augenblick stockte Irina der Atem. Mußte sie es ihm nicht doch sagen? Nein, jetzt nicht. Noch war er nicht der Kommandant, sondern ihr Patient.
    Sie lehnte sich zurück und atmete tief. Dann begann sie, seine Arme und Beine anzuheben, zu beugen, zu strecken und ihn zu massieren. Seine Augen folgten ihren Bewegungen.
    Als sie damit aufhörte, richtete er sich auf, griff nach dem Becher und trank. Er blickte sie fest an.
    „Das Kompliment vorhin war zwar subjektiv ehrlich“, stellte er fest, „aber objektiv siehst du schlecht aus. Ist irgend etwas nicht in Ordnung?“
    „Doch, doch“, sagte sie, „komm nur!“
    Sie half ihm beim Aufstehen, und kaum stand er auf den Beinen, etwas schwankend noch, da umarmte er sie und versuchte, sie hochzuheben.
    „Jetzt beginnt wieder das Leben“, rief er, und das war zwar fröhlich gemeint, aber weil er dabei vor Anstrengung keuchen mußte, hörte es sich so komisch an, daß Irina lachte. „Jetzt noch nicht, erst in anderthalb Stunden. Jetzt kommt Gymnastik, und dann ab ins Bettchen, aber ohne Widerrede!“
    Bei den Übungen erkundigte er sich noch nach dem

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