Die Kunst, frei zu sein
Einführung
In jedem Schrei von jedermann,
In Kindesjammern, Stimmenwirrn,
In jedem Fluch ich hören kann
Vom Geist geschmiedet Fesseln klirrn.
William Blake, »Lieder der Unschuld
und Erfahrung«, 1794
Dies ist ein Buch über das gute Leben, und seinen Kern bildet eine schlichte Wahrheit: Wenn du die Göttin der Freiheit willkommen heißt, wird das Leben leichter und billiger und macht erheblich mehr Spaß. Ich möchte zeigen, wie man die »vom Geist geschmiedet Fesseln« entfernt und die Freiheit erwirbt, sich ein eigenes Leben zu schaffen. Nachdem ich mein letztes Buch, Anleitung zum Müßiggang, beendet hatte, wurde mir klar, dass Müßiggang für mich fast das Gleiche wie Freiheit ist. Müßig zu sein heißt, frei zu leben. Müßig zu sein heißt, nach seinen eigenen Regeln zu leben. Müßig zu sein heißt, das zusammenzufügen, was getrennt worden ist.
Ich habe versucht, drei Gedankenstränge zu einer Philosophie des Alltagslebens zu verknüpfen, und zwar Freiheit, Frohsinn und Verantwortung beziehungsweise Anarchie, Mittelalterlichkeit und Existenzialismus. Es ist ein Lebensansatz, den man auch als »Spaß haben« oder »Tun, was einem gefällt« bezeichnen könnte. Die westliche Welt hat zugelassen, dass ihr – und uns – Freiheit, Frohsinn und Verantwortung abhandengekommen und durch Gier, Konkurrenz, einsames Streben, Fadheit, Schulden, McDonald’s und GlaxoSmithKline ersetzt wurden. Das Konsumzeitalter bietet viele Bequemlichkeiten, doch wenig Freiheit. Die Regierungen reiten, wie es ihrem Wesen entspricht, endlose Attacken gegen unsere Bürgerrechte und schieben Gesundheit und Sicherheit vor, um ihre Macht auszuweiten.
In meiner Suche nach Freiheit würde ich mich als Anarchisten definieren. Anarchie bedeutet, dass Verträge zwischen Individuen, nicht zwischen Bürger und Staat geschlossen werden. Sie basiert eher auf dem Standpunkt, dass die Menschen im Grunde gut sind und in Ruhe gelassen werden sollten, als auf der puritanischen Ansicht, dass wir alle böse sind und von der Obrigkeit kontrolliert werden müssen. Im Mittelalter organisierten die Menschen die Dinge trotz der bestehenden Hierarchien selbst. Die große Mehrheit der in diesem Buch beschriebenen Fesseln hatte man damals noch nicht erfunden. Das Leben war selbstbestimmt und voller Vielfalt.
Heutzutage brauchen wir eine radikale Neudefinition menschlicher Beziehungen, die nicht der Gier des globalen Kapitalismus, sondern den lokalen Bedürfnissen dient. Unser Leben ist in unzählige Fragmente zersplittert, und unser Ziel muss es sein, sie wieder zu einer harmonischen Einheit zusammenzufügen. Dabei liefern uns nicht nur die mittelalterliche Ordnung sowie die Anarchisten und die Existenzialisten Hilfestellungen, sondern auch eine ganze Reihe historischer Persönlichkeiten. Zu Wort kommen werden Aristoteles, der heilige Franz von Assisi, der heilige Thomas von Aquin, die Romantiker, William Cobbett, John Stuart Mill, John Ruskin, William Morris, Oscar Wilde, die Zurück-aufs-Land-Bewegung, Chesterton, Eric Gill und die Distributisten, Bertrand Russell, Orwell, die Situationisten, die Yippies, die Punks und Radikalen der siebziger Jahre wie John Seymour, Ivan Illich oder E. F. Schumacher. Sie alle sind Teil der langen Geschichte, in welcher die Idee der wahre Freiheit ermöglichenden Kooperation statt der Konkurrenz gefördert wird. Wie wir sehen werden, gibt es eine starke Tradition, Geld, Eigentum und Business als Hauptziele des Lebens abzulehnen. Wir müssen aufhören, von anderen zu erwarten, dass sie unser Leben in Ordnung bringen, und stattdessen darauf vertrauen, dass wir selbst dazu in der Lage sind. Wir sind freie Geister. Wir verbitten uns die Einmischung in unsere Angelegenheiten, und wir widersetzen uns der Einmischung in die Angelegenheiten anderer.
In diesem Buch befasse ich mich mit den Schranken der Freiheit und mit unserer Möglichkeit, Angst, Furcht, Hypotheken, Geld, Gewissensbisse, Schulden, Regierungen, Langeweile, Supermärkte, Rechnungen, Melancholie, Schmerz, Depressionen und Verschwendung loszuwerden. Wir haben diesen Feinden Macht über uns verliehen, und nur wir selbst können diese Macht brechen. Es hat keinen Sinn, jammernd herumzusitzen und zu hoffen, dass uns jemand anderes diese Aufgabe abnimmt. Wir müssen vielmehr begreifen, dass all diese Bürden »vom Geist geschmiedet« sind, und schon öffnet sich die Pforte zum Garten der Freiheit.
Im Leben geht es unter anderem darum, verlorene Freiheiten
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