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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Pennsylvaniens.
    An so vielen Orten versagt zu haben, gibt einem Rabbi, wenn schon sonst nichts, gute geographische Kenntnisse. Schuldbewußt sprang er auf und machte sich für seine Seelsorgegänge fertig.
    Sein erster Besuch galt seiner Frau.
    Das Areal des Woodborough State Hospital wurde von Fremden manchmal für ein College-Campus gehalten, aber wenn man etwa halben Weges an der langen gewundenen Fahrstraße Herman begegnete, konnte man nicht mehr im Zweifel darüber sein, wo man sich befand.
     
    Michaels Zeit war an diesem Morgen sehr knapp bemessen, und Herman würde schon dafür sorgen, daß er für die letzte Fahrstrecke und das Einparken zehn Minuten brauchte statt einer. Herman trug Trichterhosen aus grobem Kattun, einen alten Überrock, eine Baseballmütze und wollene Ohrenschützer, die einmal weiß gewesen waren. In den Händen hielt er orangefarbene Ping-Pong-Schläger. Er schritt rückwärts, mit gespannter Aufmerksamkeit den Wagen dirigierend, im Bewußtsein seiner Verantwortung für das Leben des Rabbi und für ein teures Militärflugzeug. Vor zwanzig Jahren, im Krieg, war Herman Offizier auf einem Flugzeugträger gewesen, und dabei war er geblieben. Seit nunmehr vier Jahren erwartete er die Wagen auf dem Fahrweg zum Spital und gab den Fahrern Weisungen für ihre Landung auf dem Parkplatz. Er war lästig und rührend zugleich. Wie eilig es Michael auch haben mochte, immer spielte er die Rolle, die Hermans Krankheit ihm zuwies.
    Seine Tätigkeit als Rabbiner des Krankenhauses beschäftigte Michael einen halben Tag pro Woche; jetzt pflegte er in seinem Büro zu arbeiten, bis ihm mitgeteilt wurde, daß Dan Bernstein, Leslies Psychiater, frei sei.
    Aber diesmal wartete Dan schon auf ihn.
    »Entschuldigen Sie meine Verspätung«, sagte Michael. »Immer vergesse ich, ein paar Minuten für Herman einzukalkulieren.« »Er ist lästig«, sagte der Psychiater. »Was werden Sie machen, wenn ihm eines Tages einfällt, Ihnen in letzter Minute keine Landeerlaubnis zu geben und Ihnen zu signalisieren, daß Sie ein paar Runden ziehen und von neuem anfliegen müssen?«
     
    »So energisch zurückschieben, daß Sie meinen Kombi bis hinüber in die Verwaltung heulen hören.«
    Dr. Bernstein setzte sich in den einzigen bequemen Sessel im Zimmer, streifte seine braunen Sandalen ab und bewegte die Zehen. Dann seufzte er und zündete sich eine Zigarette an. »Wie geht's meiner Frau?«
    »Unverändert.«
    Michael hatte sich bessere Nachricht erhofft. »Spricht sie?« 
    »Sehr wenig. Sie wartet.«
    »Worauf?«
    »Daß die Traurigkeit von ihr weicht«, sagte Dr. Bernstein und rieb seine Zehen mit den dicken, plumpen Fingern. »Irgend etwas ist so schwer für sie geworden, daß sie nicht damit fertig werden konnte, so hat sie sich in die Krankheit zurückgezogen. Das ist ein recht häufiger Vorgang. Wenn sie einige Einsicht gewonnen hat, wird sie wieder auftauchen und den Dingen ins Auge sehen und vergessen, was ihre Depression verursacht hat. Wir haben gehofft, Psychotherapie könnte ihr dazu verhelfen. Aber sie spricht nicht. Ich glaube, wir werden Ihre Frau jetzt schocken müssen.«
    Michael spürte, wie ihm übel wurde.
    Dr. Bernstein sah ihn an und knurrte mit unverhohlener Verachtung:
    »Sie wollen Rabbiner in einer psychiatrischen Anstalt sein - und erschrecken vor einem Elektroschock?«
    »Manchmal schlagen sie um sich und es gibt Knochenbrüche.«
    »Das passiert seit Jahren nicht mehr, seit wir Spritzen haben, die den Muskel paralysieren. Heute ist das eine humane Therapie. Sie haben es doch oft genug gesehen, oder nicht?«
     
    Er nickte. »Wird sie Nachwirkungen spüren?«
    »Von der Schockbehandlung? Eine leichte Amnesie wahrscheinlich, teilweisen Erinnerungsverlust. Nichts Ernstes. Sie wird sich an alle wichtigen Dinge ihres Lebens erinnern. Nur Kleinigkeiten, unwichtiges Zeug wird sie vergessen haben.« »Was zum Beispiel?«
    »Vielleicht den Titel eines Films, den sie kürzlich gesehen hat, oder den Namen des Hauptdarstellers. Oder die Adresse einer flüchtigen Bekannten. Aber das werden isolierte Vorfälle sein. Zum größten Teil wird ihr Gedächtnis erhalten bleiben.« »Können Sie es nicht noch eine Weile mit Psychotherapie versuchen, bevor Sie schocken?«
    Dr. Bernstein gestattete sich den Luxus einer leichten Verärgerung.
    »Aber sie spricht doch nicht! Wie wollen Sie Psychotherapie durchführen ohne Kommunikation? Ich habe keine Ahnung, was die wirkliche Ursache ihrer Depression ist. Können Sie

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