Der Regenmoerder
nicht nach Regen aus. Die Narren wissen auch nicht, was sie sagen, dachte er. Und außerdem, wozu brauche ich zum Morden unbedingt Regen? In Wirklichkeit allerdings wußte er sehr genau, warum. Alles mußte exakt so sein wie an jenem Tag, als er die Wahrheit über seine Mutter erfahren hatte. Der Regen mußte das Böse von seinen Opfern abwaschen. Aber Regen oder nicht Regen, dachte er sogleich weiter, di ese Akiko Kanomori muß sterben, so oder so.
Er sah auf die Uhr. Wenn sie sich doch etwas beeilen würde!
Akiko und Sekio fuhren zu dieser Zeit gerade zurück zu ihrer Wohnung. In ein paar Minuten, dachte Akiko, bekommt er den Kopf des Würgers von mir, und dann verläßt er mich wieder, und vermutlich sehe ich ihn danach nie mehr. Es drängte sie zu sagen: Rufen Sie mich mal an? Aber sie wollte nicht aufdringlich sein. Dazu war sie viel zu zurückhaltend. Als hätte er ihre Gedanken lesen können, sagte Sekio: „Sagen Sie, Akiko, könnten wir vielleicht, auch wenn dieser Fall erledigt ist, wieder einmal zusammen essen gehen?" Akiko hüpfte das Herz im Leib vor Freude. „Sehr gerne", sagte sie.
Sekio lächelte. Er wußte jetzt, daß alles gut verlief. Er wollte mit dieser Frau sein ganzes Leben lang zusammensein. Er mußte nur zuerst noch den Würger fassen.
„Wollten Sie immer schon Polizist werden?" fragte Akiko. „Schon, seit ich zehn Jahre alt war", sagte er. „Damals geschah bei uns in der Nachbarschaft ein Mord, der allgemeines Entsetzen verursachte. Wir hatten Angst, der Mörder werde auch uns heimsuchen. Die Polizei war sehr freundlich. Man sagte uns, wir sollten uns keine Sorgen machen, der Mörder werde schon gefaßt, und dann seien wir alle wieder sicher vor ihm. Da wußte ich, daß ich auch Polizist werden wollte, als Freund und Helfer der Menschen."
Ganz erstaunlich, dachte Akiko. Was er da erzählt, ist genau, was jetzt gerade passiert. Ein Mörder geht um und verbreitet Angst und Schrecken, und Sekio bemüht sich, für Sicherheit zu sorgen. Sie sah ihn an und dachte: Er ahnt überhaupt nicht, wie wundervoll er ist.
Sie fuhren an Kensington Gardens vorbei. Der Park sah im
Mondschein wie verzaubert aus.
„Haben Sie schon mal von einem Schriftsteller namens J. M. Barriegehört?" fragte Sekio. Denn in diesem Park stand eine Statue des berühmten Geschöpfs dieses Schriftstellers. „Nein, habe ich nicht."
„Er hat eine wunderschöne Geschichte geschrieben: Peter Pan. Das war ein Junge, der sich weigerte, erwachsen zu werden und also ewig ein Knabe blieb. Seine Mutter wies ihn aus dem Haus, und da flog er ins Nimmerland. Eine sehr schöne Geschichte."
„Sie klingt wunderschön, ja", sagte Akiko. Und sie dachte im stillen dazu: Irgendwie ist er auch noch wie ein richtiger Junge. So enthusiastisch und begeisterungsfähig.
Sie näherten sich ihrem Wohnhaus. Ein paar Minuten noch , dachte sie, dann muß ich den Kopf vollenden und ihm mitgeben. Aber sie hatte jetzt wenigstens keine Angst mehr. Denn er war ja bei ihr und blieb auch an ihrer Seite, während sie ihre Arbeit beendete. Der Modellierton sollte ihr jetzt keine Angst mehr machen.
Zwei Häuserblocks vor ihrem Wohnhaus sahen sie einen Verkehrsunfall. Ein Auto war von einem Lastwagen fast zerdrückt worden, Trümmer waren über die ganze Straße verstreut, und auf dem Pflaster lag stöhnend ein verletzter Fußgänger.
Sekios Gesicht spannte sich an. Er griff nach seinem Funkgerät. „Hier Wagen siebzehn. Unfall auf Höhe Pont Street
2624. Schickt rasch einen Notarzt."
Dann schaltete er ab und sagte zu Akiko: „Tut mir leid, ich
setze Sie ab und kümmere mich um den Unfall. Ich folge dann
in ein paar Minuten nach."
„Ist gut."
Hoffentlich, dachte sie, war dem auf der Straße liegenden Fußgänger nichts Schlimmes passiert. Sekio trat aufs Gas und
fuhr sie noch schnell bis vor ihre Haustür. „Ich komme, so schnell es geht."
„Schon in Ordnung. Bis dahin habe ich dann auch den Kopf ganz fertig."
Sie blieb noch am Randstein stehen, bis er weggefahren war. Dann erst drehte sie sich um und ging ins Haus.
Der Mann, der auf der Straße lag, war zum Glück nicht schwer verletzt. Sekio beugte sich über ihn und fühlte ihm den Puls. „Wie geht es Ihnen?" erkundigte er sich. „Na ja, ein bißchen zittrig bin ich."
„Haben Sie das Gefühl, daß irgend etwas gebrochen ist?" Der Mann befühlte seine Arme und Beine. „Es scheint alles in Ordnung zu sein. Es muß mich aus dem Wagen geschleudert haben, als der Lastwagen auf mich
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