Der Regenmoerder
fassen?"
„Es arbeiten eine ganze Anzahl Kollegen an diesem Fall", sagte Yamada, „und wir tun das Menschenmögliche."
„Sind Sie nicht sehr jung für einen so großen Fall?"
„Was hat das Alter damit zu tun?" sagte er ungehalten. Er redete nicht gern mit Reportern. Dieser Fall hatte ohnehin schon viel zuviel öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Er ging in sein Büro und schickte nach Detective Blake.
„Ab sofort", sagte er zu Blake, als der da war, „übernehmen Sie den Umgang mit der Presse. Ich will mit denen nicht reden."
„Ist gut. Die Burschen können ziemlich aufdringlich sein, das stimmt."
„Das interessiert mich nicht, ich will nur, daß die Frauen in der Stadt nicht noch mehr beunruhigt werden. Es ist schon schlimm genug." Er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. „Ich will diesen Wahnsinnigen fangen."
„Für einen Wahnsinnigen ist er allerdings ziemlich intelligent", sagte Detective Blake. „Wir wissen schließlich noch immer nichts von ihm. Nicht, wer er ist, und nicht, warum er mordet." „Wir werden bereits ein Menge über ihn wissen", sagte Yamada, „wenn wir erst herausgefunden haben, warum er nur mordet, wenn es regnet."
Es war für Sekio Yamada schon schwer verständlich, warum irgend jemand überhaupt Menschen tötete, und erst recht, aus welchem Grund jemand völlig unschuldige Frauen umbrachte. Er selbst stammte aus einer glücklichen Familie. Er hatte drei Schwestern und liebevolle Eltern. Sie waren zuerst nach Amerika gegangen, wo Sekio sehr gerne gelebt hatte, bevor sie nach England zogen.
Er hatte damals alles über England gelesen, was er nur finden konnte, um über das neue Land, in das sie kamen, informiert zu sein. Engländer und Amerikaner waren recht verschieden. Bis in das 18. Jahrhundert hatte Amerika England gehört, das damals fast die ganze Welt beherrschte; Australien, Indien und Amerika waren alles englische Kolonien.
Aber in Amerika hatten sich Menschen angesiedelt, die ihre eigene Heimat verlassen hatten, um dort Freiheit zu finden. Die Amerikaner waren sehr selbstbewußt.
König George, der damals in England herrschte, hatte jedoch dafür wenig Verständnis. Er war in Geldnot und beschloß dem abzuhelfen, indem er eine Teesteuer einführte. Wenn die Amerikaner nun Tee aus England bekamen, sollten sie dafür diese Teesteuer bezahlen.
Als sie davon erfuhren, waren sie empört. Als dann ein Schiff mit Tee im Hafen von Boston eintraf, warfen sie die Teeballen, statt dafür die neue Steuer zu bezahlen, wütend ins Meer. Das nannte man später die Bostoner Tea-Party, und es war der Anfang der amerikanischen Revolution, der Unabhängigkeitsbewegung.
König George war außer sich. Er schickte sofort seine Truppen nach Amerika, um diese Aufrührer Mores zu lehren. Aber es kam ganz anders. Die Amerikaner besiegten trotz ihrer ungenügenden Waffen die britischen Rotröcke und erklärten ihre Unabhängigkeit von England. Damit hatte England eine seiner reichsten Kolonien verloren. Und alles wegen einer Teesteuer!
Sekio Yamada hatte diese Geschichte von jeher faszinierend gefunden. Er bemerkte immer stärker, welche großen Unterschiede zwischen Engländern und Amerikanern es gab. Die Amerikaner erschienen ihm offener und freundlicher. Dagegen kamen einem die Engländer mufflig und zurückhaltend vor - bevor man sie genauer kannte.
Selbst die Sprache war anders, stellte er fest. Was in Amerika ein elevator war, ein Aufzug, hieß in England lift . Die Motorhaube wurde in England bonnet genannt, in Amerika aber hood . Wenn in Amerika ein Theaterstück bombte , war das ein Durchfall mit Pauken und Trompeten, in England aber ein Riesenerfolg. Die Amerikaner aßen potato chips , Kartoffelchips, aber in England sagten sie dazu crisps . In England war ein Lieferwagen ein van , aber in Amerika ein truck , und ein amerikanischer Apotheker oder Drogist - druggist - hieß in England chemist . Und so gab es noch eine Menge Verschiedenheiten.
Aber so sehr Sekio Amerika gemocht hatte, England mochte er genauso gern. In England gefiel ihm lediglich das Wetter nicht. In Amerika hatten sie schöne warme Sommer erlebt, wo die Sonne den ganzen Juni, Juli und August schien. Aber in England war es die meiste Zeit im Sommer kühl und regnerisch.
Das Wort regnerisch erinnerte ihn wieder an den Würger. Hatte dieser Mann je in seinem Leben Liebe erlebt? War er vielleicht als Kind geschlagen worden? Haßte er seine Mutter? Es muß Frauen gegeben haben, dachte Sekio, die ihm
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