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Der Richter und sein Henker (German Edition)

Der Richter und sein Henker (German Edition)

Titel: Der Richter und sein Henker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Bärlach, die Felsen hinabschauend.
    »Wir müssen Gastmann aufsuchen, es gibt keinen anderen Weg weiterzukommen, das ist doch logisch. Vor allem müssen wir die Diener verhören.«
    Bärlach lehnte sich zurück und saß da, ein ergrauter, soignierter Herr, den Jungen neben sich aus seinen kalten Augenschlitzen ruhig betrachtend:
    »Mein Gott, wir können nicht immer tun, was logisch ist, Tschanz. Lutz will nicht, daß wir Gastmann besuchen. Das ist verständlich, denn er mußte den Fall dem Bundesanwalt übergeben. Warten wir dessen Verfügung ab. Wir haben es eben mit heiklen Ausländern zu tun.« Bärlachs nachlässige Art machte Tschanz wild.
    »Das ist doch Unsinn«, schrie er, »Lutz sabotiert mit seiner politischen Rücksichtnahme die Untersuchung. Von Schwendi ist sein Freund und Gastmanns Anwalt, da kann man sich doch sein Teil denken.«
    Bärlach verzog nicht einmal sein Gesicht: »Es ist gut, daß wir allein sind, Tschanz. Lutz hat vielleicht etwas voreilig, aber mit guten Gründen gehandelt. Das Geheimnis liegt bei Schmied und nicht bei Gastmann.«
    Tschanz ließ sich nicht beirren: »Wir haben nichts anderes als die Wahrheit zu suchen«, rief er verzweifelt in die heranziehenden Wolkenberge hinein, »die Wahrheit und nur die Wahrheit, wer Schmieds Mörder ist!«
    »Du hast recht«, wiederholte Bärlach, aber unpathetisch und kalt, »die Wahrheit, wer Schmieds Mörder ist.«
    Der junge Polizist legte dem Alten die Hand auf die linke Schulter, schaute ihm ins undurchdringliche Antlitz:
    »Deshalb haben wir mit allen Mitteln vorzugehen, und zwar gegen Gastmann. Eine Untersuchung muß lückenlos sein. Man kann nicht immer alles tun, was logisch ist, sagen Sie. Aber hier müssen wir es tun. Wir können Gastmann nicht überspringen.«
    »Gastmann ist nicht der Mörder«, sagte Bärlach trocken.
    »Die Möglichkeit besteht, daß Gastmann den Mord angeordnet hat. Wir müssen seine Diener vernehmen!« entgegnete Tschanz.
    »Ich sehe nicht den geringsten Grund, der Gastmann hätte veranlassen können, Schmied zu ermorden«, sagte der Alte. »Wir müssen den Täter dort suchen, wo die Tat einen Sinn hätte haben können, und dies geht nur den Bundesanwalt etwas an«, fuhr er fort.
    »Auch der Schriftsteller hält Gastmann für den Mörder«, rief Tschanz aus.
    »Auch du hältst ihn dafür?» fragte Bärlach lauernd.
    »Auch ich, Kommissär.«
    »Dann du allein«, stellte Bärlach fest. »Der Schriftsteller hält ihn nur zu jedem Verbrechen fähig, das ist ein Unterschied. Der Schriftsteller hat nichts über Gastmanns Taten ausgesagt, sondern nur über seine Potenz.
    Nun verlor der andere die Geduld. Er packte den Alten bei den Schultern.
    »Jahrelang bin ich im Schatten gestanden, Kommissär«, keuchte er. »Immer hat man mich übergangen, mißachtet, als letzten Dreck benutzt, als besseren Briefträger!«
    »Das gebe ich zu, Tschanz«, sagte Bärlach, unbeweglich in das verzweifelte Gesicht des Jungen starrend, »jahrelang bist du im Schatten dessen gestanden, der nun ermordet worden ist.«
    »Nur weil er bessere Schulen hatte! Nur weil er Lateinisch konnte.«
    »Du tust ihm Unrecht«, antwortete Bärlach, »Schmied war der beste Kriminalist, den ich je gekannt habe.«
    »Und jetzt«, schrie Tschanz, »da ich einmal eine Chance habe, soll alles wieder für nichts sein, soll meine einmalige Gelegenheit hinaufzukommen in einem blödsinnigen diplomatischen Spiel zugrunde gehen! Nur Sie können das noch ändern, Kommissär, sprechen Sie mit Lutz, nur Sie können ihn bewegen, mich zu Gastmann gehen zu lassen.«
    »Nein, Tschanz«, sagte Bärlach, »ich kann das nicht.« Der andere rüttelte ihn wie einen Schulbuben, hielt ihn zwischen den Fäusten, schrie:
    »Reden Sie mit Lutz, reden Sie!«
    Doch der Alte ließ sich nicht erweichen: »Es geht nicht, Tschanz«, sagte er. »Ich bin nicht mehr für diese Dinge zu haben. Ich bin alt und krank. Da braucht man seine Ruhe. Du mußt dir selber helfen.«
    »Gut«, sagte Tschanz, ließ plötzlich von Bärlach ab und ergriff wieder das Steuer, wenn auch totenbleich und zitternd. »Dann nicht. Sie können mir nicht helfen.«
    Sie fuhren wieder gegen Ligerz hinunter.
    »Du bist doch in Grindelwald in den Ferien gewesen? Pension Eiger?« fragte der Alte.
    »Jawohl, Kommissär.«
    »Still und nicht zu teuer?«
    »Wie Sie sagen.«
    »Gut, Tschanz, ich fahre morgen dorthin, um mich auszuruhen. Ich muß in die Höhe. Ich habe für eine Woche Krankenurlaub genommen.«
    Tschanz

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