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Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Flucht wagen wollte, dann musste es in dieser oder spätestens in der darauf folgenden Nacht geschehen.
    Robin zögerte noch einen kurzen Moment, dann steuerte sie die erstbeste Tür an. Vermutlich war der dahinterliegende Raum leer. Schlimmstenfalls würde sie dort eine Schicksalsgefährtin vorfinden, die sie hoffentlich nicht sofort verraten würde. Vorsichtig öffnete sie die Tür, huschte lautlos durch den Spalt und drückte sie ebenso vorsichtig hinter sich wieder ins Schloss.
    Das Zimmer, in dem sie sich befand, war ebenso prächtig eingerichtet wie ihr eigenes, nur ein gutes Stück größer. Es lag fast völlig im Dunkeln, aber Robin konnte immerhin erkennen, dass das Fenster an der gegenüberliegenden Wand vergittert war. Nur neben dem Bett, einem gewaltigen hölzernen Gestell mit einem weit ausladenden Stoffhimmel aus halb durchsichtigen Seidenschleiern, glomm der kurze Docht einer Öllampe. Sie hatte das Gefühl, hinter den dünnen Seidentüchern ein schweres, röchelndes Atmen zu hören, war sich jedoch nicht ganz sicher, ob es nicht nur ihre überreizte Fantasie war, die ihr einen Streich spielte.
    Zumindest schien niemand von ihrem Eintreten Notiz genommen zu haben. Nun, wo sie einmal so weit gekommen war, konnte sie den Raum ebenso gut auch genauer in Augenschein nehmen. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an das graublaue Dämmerlicht, das hier drinnen herrschte. Obwohl sie auch jetzt kaum mehr als Schemen wahrnahm, hatte sie das vage Gefühl, dass dieser Raum persönlicher eingerichtet war als der ihre, so als habe sein Bewohner die Möbel und Stoffe über Jahre sorgfältig ausgesucht und zusammengetragen. Auf einem niedrigen Tischchen neben dem Bett entdeckte sie eine Ansammlung kleiner Tiegel, Pinsel, flacher Holzspatel und anderer Schminkutensilien sowie einige Schmuckstücke, auf denen sich das Licht der Öllampe brach.

Ihre erste Einschätzung schien richtig gewesen zu sein: Sie befand sich im Zimmer einer Frau, sicher einer anderen Sklavin. Vorsichtig löste sie sich von ihrem Platz an der Tür und schlich auf das Bett zu. In Gedanken tat sie Harun und Aisha Abbitte für alles, was sie in den letzten Tagen über sie gedacht und nur zu oft auch laut gesagt hatte. Harun würde niemals eine Tempeltänzerin aus ihr machen, doch kam ihr der Unterricht nun zustatten, denn sie vermochte sich spürbar leichtfüßiger und damit auch lautloser zu bewegen. Ohne auch nur das mindeste Geräusch zu verursachen, huschte sie zum Bett, verharrte noch einmal mit angehaltenem Atem, um eine Sekunde lang zu lauschen, und zog dann behutsam den Vorhang auseinander.
    Um ein Haar hätte sie aufgeschrien.
    Bleich wie das Antlitz einer Toten, von kaltem Schweiß bedeckt und mit eingefallenen Wangen blickte ihr im fahlen Licht der Öllampe Naidas Gesicht entgegen. Es wirkte um Jahre gealtert. Das flackernde Licht des fast heruntergebrannten Dochtes ließ die unzähligen Falten in ihrer Haut wie tiefe Messerschnitte erscheinen, und obwohl sie Robin aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, schien sie sie nicht wirklich zu sehen. Ihr linkes Auge war nahezu zugeschwollen, die Haut darunter aufgeplatzt, und wie man es oft bei alten Leuten beobachten konnte, wollte sich die Wunde offenbar nicht schließen. Der fingerlange Riss von dem Schlag, den Omar ihr tags zuvor versetzt hatte, nässte noch immer und in der Kruste aus Schorf schimmerten winzige frische Blutströpfchen.
    »Naida!«, hauchte Robin erschrocken. »Aber was…?«
    Naidas trübe Augen flackerten. »Bist du hier, um dich an meinem Schmerz zu ergötzen?«, murmelte die Alte mit heiserer Stimme. Das Sprechen bereitete ihr sichtlich Mühe, nicht nur aufgrund ihrer Schwäche, sondern auch weil ihr Mund geschwollen und die Lippen auf der linken Seite aufgeplatzt und erst halb verschorft waren.
    Robin hörte ihre Worte kaum. »Was… wer hat dir das angetan?« Was für eine dumme Frage. Sie hatte doch gesehen, wer es gewesen war. Dennoch weigerte sie sich im ersten Moment, ihren Augen zu trauen. Sie hatte gesehen, dass Omar Naida geschlagen hatte. Ein Hieb, hart, aber doch nur mit der flachen Hand ausgeführt. Sie hatte genug solcher Schläge selbst zu spüren bekommen, um zu wissen, welchen Schaden sie anrichteten. Doch bisher war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass ein Schlag, der sie selbst schmerzen und sie allenfalls wütend machen würde, einen Menschen in Naidas Alter und von ihrer Gebrechlichkeit durchaus umbringen konnte.
    Die alte Sklavin verzog die Lippen, doch

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