Der Ring des Sarazenen
was du meinst«, sagte Robin.
»Was dir angetan wurde, tut mir unendlich Leid. Ich würde den Schmerz von dir nehmen, wenn ich es könnte. Aber jetzt…«
Sie hörte ein Geräusch von der Tür her, und diesmal waren es nicht Haruns Lehrstunden, die ihr zugute kamen, sondern die Reflexe der Kriegerin, zu der sie in den vergangenen beiden Jahren geworden war. Sie ließ sich blitzschnell zur Seite fallen, federte ihren Sturz mit den Fingerspitzen ab, sodass sie praktisch kein Geräusch dabei verursachte, und rollte sich in der gleichen Bewegung auf den Rücken. Praktisch im selben Moment wurde die Tür geöffnet und Omar trat ein.
Robin war kurz davor, in Panik zu geraten. Sie lag völlig deckungs- und wehrlos auf dem Boden, Omar musste sie einfach sehen. Gleich würde er einen zornigen Schrei ausstoßen und sich auf sie stürzen, um sie zu schlagen. Was er Naida für dieses neuerliche Vergehen antun würde, für das sie ebenso wenig konnte wie für das vermeintliche Verbrechen zuvor, daran wagte sie erst gar nicht zu denken.
Der Sklavenhändler blieb für einen Moment unter der Tür stehen, dann trat er vollends in den Raum, wandte sich um und schloss die Tür hinter sich!
Robin konnte gerade noch ein erleichtertes Aufatmen unterdrücken. So unglaublich es schien, Omar hatte sie nicht bemerkt. Der schwarze Umhang und der Schleier, der einen Großteil ihres Gesichtes verbarg, schützten sie. Schließlich war auch sie im ersten Moment fast blind gewesen, als sie hereingekommen war. Das Licht der Öllampe war mittlerweile noch weiter heruntergebrannt und jetzt kaum mehr als ein rötliches Glimmen am Ende des Dochtes. Sie hörte, wie Omar sich abermals herumdrehte und mit langsamen Schritten näher kam. Selbst wenn er sie nicht sah, würde er gleich auf sie treten. Als Omar noch zwei Schritte von ihr entfernt war, glitt sie so leise sie konnte in das naheliegendste Versteck: unter das Bett.
Keinen Augenblick zu früh. Omars Stiefel tauchten genau dort vor ihrem Gesicht auf, wo sie gerade noch gelegen hatte. Selbst wenn sich seine Augen nicht so schnell an die Dunkelheit gewöhnten wie ihre gerade, würde sein Gehör dafür umso schärfer sein. Robin schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich darauf, flach und möglichst lautlos zu atmen.
Über ihr bewegte sich Naida unruhig in ihrem Bett. »Du… du kannst dich nicht verbergen«, stammelte sie. Robins Herz machte einen erschrockenen Sprung.
»Ruhig, Nana. Ich bin bei dir.« Omars Stimme klang weicher und zärtlicher, als Robin sie jemals gehört hatte. »Ich bin hier, keine Angst. Niemand wird dir etwas zuleide tun.« Robin hörte, wie eine Flüssigkeit von einem Gefäß in ein anderes gegossen wurde. »Ich bringe dir einen Schlaftrunk, den der Franke für dich bereitet hat. Er wird dir die Schmerzen nehmen.«
Der Sklavenhändler kniete neben dem Bett nieder. Robin hätte ihn in diesem Moment mit der ausgestreckten Hand berühren können, doch nicht das war ihr Problem: Ihr Herz hämmerte so laut, dass Omar es eigentlich kaum überhören konnte.
»Lass sie gehen«, stammelte Naida. »Das Christenmädchen… lass sie… gehen. Die Haschisch-Anbeter werden über uns kommen! Du musst sie fortschicken.«
»Arme Nana«, sagte Omar. »Du hast Fieber. Trink das. Das wird die Dämonen vertreiben, die dich quälen.« Wieder wechselte er seine Position. Robin vermutete, dass er sich auf die Bettkante gesetzt hatte, um Naida in den Arm zu nehmen und ihr den Schlaftrunk einzuflößen. Für eine kleine Weile wurde seine Stimme so leise, dass Robin die Worte nicht verstehen konnte, aber sie klang jetzt so sanft und besorgt wie die eines Sohnes, der am Bett seiner sterbenskranken Mutter sitzt. Schließlich beugte sich Omar vor und stellte einen schlanken silbernen Becher auf den Boden direkt neben dem Bett.
»Du musst jetzt schlafen, Nana«, sagte er.
»Nein«, stammelte Naida. »Dummer Junge. Du weißt nicht, was du… was du tust. Du musst nach dem Imam schicken. Er soll die heiligsten Suren des Korans und den Namen des Propheten auf Papierstreifen schreiben. Du musst sie an allen Türen und Fenstern befestigen, Junge…«, Naidas Stimme wurde schwächer, »… dann werden die Schatten nicht…« Ihre Stimme wurde leiser und verebbte schließlich vollends, und nur einen Augenblick später beruhigten sich auch ihre keuchenden Atemzüge. Robin hoffte, dass sie eingeschlafen war.
Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Omar nun ebenfalls aufstehen und
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