Der Ring von Ikribu
Felsen, jenseits des trägen Flusses und des trügerischen, tödlichen Sumpfes.
Ein Tagesritt brachte Olin mit seiner kleinen Armee zum Ende des Wiesenlands. Sie lagerten im weichen Gras unter dem Schutz vereinzelter Bäume, den Vorläufern der Wälder. Ein weiterer Tag würde sie zu den tiefen Forsten bringen und der dritte ins Gebiet des Hexers.
»Spürst du es?« fragte ein Soldat einen Kameraden und schnupperte die Luft.
»Ja, sie ist – anders.«
Das war auch keineswegs Einbildung. Das Land hier strahlte etwas aus, wie sie es zuerst vor Suthad gespürt hatten, etwas, das ihnen Schauder über den Rücken jagte, sie innerlich erzittern ließ und ihnen eine unheimliche Vorahnung verlieh.
Lagerfeuer wurden angezündet, und während die Truppen ihr Abendessen zubereiteten, stand Lord Olin vor seinem Zelt und spähte in den Süden. Die Sonne ging unter und schickte lange Schatten über die Felder. Die Hügel wurden zu schwarzen Buckeln, die Täler füllten sich mit Dämmernis, und schließlich wurden schwarzer Horizont und Nacht eins. Sterne zeigten sich am samtigen Firmament, und im Süden, den Olin beobachtete, begannen andere Lichter zu glühen.
Sonja, die neben ihm stand, bemerkte: »Sie sind näher als vergangene Nacht.«
»Ja, und morgen, glaube ich, werden sie noch näher sein. Sie wollen…« Er unterbrach sich hastig.
Das Knirschen von Steinen unter schweren Stiefeln lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Pelides, der näher kam, fielen ebenfalls die Lichter im Süden auf, und er schüttelte den Kopf.
»Noch mehr«, murmelte er. Er täuschte jetzt nicht mehr vor, nicht zu wissen, was diese Lichter waren. »Asroth ist vor uns in seiner Festung und beobachtet uns durch magische Mittel, und die Priester Ikribus, die es sowohl auf Asroth als auch auf uns abgesehen haben, sind hinter uns.«
»Auf uns?« fragte Olin.
»Den Ring«, verbesserte Pelides sich tonlos.
»Also sind wir in der Mitte, aber nicht in die Enge getrieben, Pelides«, sagte Sonja.
»Nicht, außer wir haben den Ring.«
Sonja ließ sich nicht zu einer Antwort herab, sondern wandte mit betontem Gleichmut den Blick wieder dem Süden zu. Nach kurzem Schweigen zog Pelides. sich zurück und betrat Olins Zelt.
Sonja drehte sich um. Nach einer Weile hörte sie merkwürdige Geräusche aus dem Zelt, die nur vage Kauen und Gurgeln ähnelten und nicht menschlich klangen. Die Gesichter der beiden Soldaten, die Olin vor das Zelt postiert hatte, wirkten ausdruckslos.
»Olin?« fragte Sonja.
»Ich habe nie sein Gesicht gesehen«, sagte Olin. »Ich möchte es auch nicht. Ich gestatte ihm, seine Mahlzeiten ungestört einzunehmen.«
»Aus Achtung vor ihm?«
Olin zuckte die Schulter. »Oder vor mir selbst, vielleicht.« Er starrte auf die fernen Lagerfeuer, ehe er sagte: »Er leidet auch unter schlimmen Alpträumen.«
»Fast tut er mir leid, Olin.«
Er blickte sie an, lächelte ein wenig verlegen und seufzte. »Das gleiche Gefühl wie bei der Rückkehr nach Suthad quält mich. Empfindest du es ebenfalls? Es ist, als hinge etwas Böses in der Luft.«
»Ja, aber erst jetzt. Während unseres Rittes fühlte ich es nicht.«
»Ich auch nicht. Pelides ist sicher, dass es noch schlimmer werden wird, je näher wir Asroths Festung kommen. Diese -Hexerei.« Olin schlug entschlossen die Hände zusammen, als wolle er damit ausdrücken;, dass er nicht beabsichtigte, sich von diesem furchterregenden Gefühl einschüchtern zu lassen. »Ich werde …«
Schreie von den unterhalb lagernden Truppen unterbrachen ihn. Ganz deutlich waren sie zu hören. Sie klangen zweifellos entsetzt.
»Haltet ihn doch auf! Nehmt ihm …«
»Emros, nein! Nein!«
»Weg da!«
»Nehmt ihm sein Schwert! Sein Schwer …! «
»Mitra!« fluchte Olin und rannte zum Schauplatz dieser Aufregung hinunter, Sonja hinter ihm her.
Ein Haufen von etwa dreißig Soldaten hatte sich in einer Ecke des Lagers gesammelt, und in ihrer Mitte sahen Olin und Sonja einen Kämpfer mit gezogener Klinge. Er knurrte mit gefletschten Zähnen, und aus seinen Augen leuchtete der Wahnsinn.
Olin erkannte den Mann und wusste, dass er ein wackerer Recke war, der auch unter stärkster Belastung nie den Kopf verloren hatte.
Ein paar Männer, die Olin kommen sahen, machten ihm Platz.
»Wir wissen nicht, was in ihn gefahren ist, mein Lord«, sagte einer. »Er sprach über das unheimliche Gefühl, das in der Luft zu hängen schien, und dass er nicht gegen einen Zauberer kämpfen wollte. Und plötzlich zog er sein
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