Der Roman eines Konträrsexuellen
genießen können, was ich so sehr ersehnte.
Am Abend wollte ich diese schrecklich-schöne Begegnung wieder aufleben lassen, aber der Mann fürchtete wohl irgendwelches Gerede und wollte mir nichts mehr zeigen. Ich war voller Wut.
Eines Abends wurde dieser Diener von meinem Vater hart getadelt und fast aus dem Hause getrieben: mein Vater hatte gemerkt, daß er fast jede Nacht eine seiner Geliebten in unser Haus ließ. Als ich davon erfuhr und begriff, daß es ganz in meiner Nähe einen Menschen gab, der sich an ihm, den ich so sehr begehrte, erfreute, weinte ich vor Wut und verwünschte den Himmel, weil ich nicht als Frau geboren war.
Bald danach verließ dieser Mann unser Haus, was mich nur noch wenig berührte. Ich war immer noch sehr jung, und die Eindrücke, so stark sie auch waren, waren nicht von großer Dauer.
III. Jugend – Erste Handlungen
Ich hatte eine lebhafte Zuneigung zu einem prächtigen jungen Menschen gefaßt, der seit einiger Zeit als Knecht in unserem Stall diente. Er war wirklich herrlich, jung, mit kleinem, kastanienbraunem Schnurrbart. Er war von mittlerer Gestalt, kräftig und wohlgebaut. Ich brachte ihm heimlich Zigarren, die ich aus dem Rauchzimmer meines Vaters entwendete, und sogar Kuchen und Süßigkeiten, derer ich mich seinetwegen beraubte. Es war ein sehr anständiger Mensch, der gern etwas frei sprach, sich aber nie eine Vertraulichkeit erlaubte. Eines Tages, als ich ihn im Scherz bat, er möge sich mir nackt zeigen, schalt er mich aus und wollte meinen Wunsch nicht erfüllen. Ich empfand immer größere Freundschaft für ihn, und mein Wunsch, ihn zu sehen, ihm nahe zu kommen, sein Gesicht zu berühren, wurde wirklich zur fixen Idee.
Da ich nichts von ihm erhoffen konnte, suchte ich mir in der Phantasie einzureden, ich wäre seine Frau, und nachts legte ich mein Kopfkissen neben mich und küßte und biß es, als wenn es eine lebende Person wäre. Ich dachte an den schönen, so kräftigen und frischen jungen Mann und suchte, indem ich mich bewegte, mir die Illusion zu verschaffen, ich schliefe mit ihm. *Dabei erfaßte mich, fast gegen meinen Willen, eine große Unruhe, und zum ersten Mal ergoß ich meinen Samen.*
Ich war sehr erschreckt darüber, und trotz des Vergnügens, das ich empfunden hatte, nahm ich mir vor, nicht mehr in einen solchen Irrtum zu verfallen. Ich hielt dieses Versprechen sehr wenig, und bald verfiel ich in eines der erniedrigendsten Laster, in die wir verfallen können. Meine lebhafte Phantasie spiegelte mir die gefälligsten Bilder vor, und ich genoß dieses gräßliche Vergnügen, indem ich die Bilder von Männern vor mir erstehen ließ, die mir gefielen und mit denen ich gern zusammengewesen wäre. Obwohl dem Anschein nach zart, war meine Konstitution doch sehr stark, und so hatte das, was zweifellos einen anderen getötet hätte, bei mir keinerlei körperliche Folgen.
Zur damaligen Zeit gingen die Geschäfte meines Vaters schlecht, wir mußten Italien verlassen und wieder einmal in Frankreich unser Glück versuchen. Wir blieben damals mehrere Monate in Paris, das ich bereits vor einer Reihe von Jahren besucht hatte. Ein sehr einfaches Leben folgte unserem luxuriösen Aufwand, und ich kann Sie versichern, daß dies die traurigste Zeit meines Lebens war. Der Charakter meines Vaters hatte sich verbittert, selbst in Paris gingen seine Geschäfte immer schlechter. Meine Erzieherin verließ uns zu dieser Zeit, und ich trat als Externer in ein Internat in Paris.
Ich konnte den Unterricht im Gymnasium nicht ausstehen, und um mehr Zeit für mich zu haben und nicht mehr einem regelmäßigen Unterricht folgen zu müssen, erklärte ich, ich hätte keine Neigung für den Beruf eines Ingenieurs, für den mein Vater mich bestimmt hatte, und wünschte Malerei zu studieren, da ich im Zeichnen ein sehr hübsches Talent entwickelte.
Durch Zärtlichkeiten und Schmeicheleien gelang es mir, meinen Vater dazu zu bringen, daß ich das Gymnasium verlassen konnte. Er brachte mich zu einem Maler, zu dem ich übrigens nur sehr selten ging, da ich es vorzog, in Paris herumzubummeln und die Galerien und Museen zu besichtigen. Ich ging morgens zu dem Maler, der sehr weit von uns entfernt wohnte, und brachte den Nachmittag mit Lesen und Zeichnen zu.
Diese Zeit war für mich recht angenehm, doch der Wunsch, einem Manne anzugehören, verfolgte mich beständig, und ich fühlte mich unglücklich, zu einem Geschlechte zu gehören, mit dem meine Seele keine Berührung hatte. Ich setzte
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