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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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ihm noch unklar war, wie man absichtlich etwas vergessen konnte. Es war nicht so, dass er nie etwas vergaß, aber das geschah immer ohne Vorbedacht.
    Trotzdem war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, seine Kameraden zu hintergehen, auch wenn es sich nur um einen Steinsplitter handelte. Es war nicht richtig, oder zumindest hatte er nicht zu entscheiden, ob es richtig war.
    »Nein, Kruzmak entscheiden«, erklärte er.
    Glimdibur ballte die Fäuste zusammen und presste die Lippen aufeinander. Der Zwerg, der sonst äußerst ausgeglichen wirkte, schäumte vor Zorn. Vor Wut schnaubend trat er gegen einen Eimer.
    »Das kann ich nicht zulassen«, schrie er.
    Seine Augen hatten sich verändert. Der sonst so müde und abgeklärte Blick war verschwunden. Die Gier überschattete seinen Geist.
    Mit einer Hand packte er seinen Helm und stülpte ihn über. Seine langen roten Zöpfe quollen an den Seiten hervor. Außer den buschigen Augenbrauen und dem sorgfältig geflochtenen Bart war nun so gut wie nichts mehr von seinem Gesicht zu erkennen. Glimdibur tastete nach seiner reich verzierten Streitaxt, ohne Rolgist auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.
    »Du kämpfen?«, fragte Rolgist ungläubig.
    Er war kein Krieger, und er hatte auch nie einer sein wollen. Manchmal hatte man ihm keine Wahl gelassen, aber solange es ihm möglich war, einem Kampf aus dem Weg zu gehen, hatte er das auch getan. Er verstand nicht, wie man sein Leben für einen Gesteinssplitter opfern konnte, und genau das würde der Zwerg tun. Rolgist kannte die Krieger des kleinen Volkes. Man durfte sie nicht unterschätzen, sie waren zäh und für ihren geringen Wuchs äußerst kräftig. Aber eben nur dafür. Außerdem war Glimdibur alles andere als ein Kämpfer, selbst wenn man sein hohes Alter außer Acht ließ.
    »Hier, du nehmen«, sagte Rolgist und warf den Rubin vor die Füße des Zwerges.
    Wortlos griff Glimdibur danach und steckte den Stein in seinen breiten Ledergürtel.
    »Ich habe nur Spaß gemacht«, lachte er nervös. »Ich wollte nur mal sehen, ob man sich auf dich verlassen kann. Natürlich erzählen wir Kruzmak von dem Fund. Er kann dann entscheiden, ob ich den Stein als Bezahlung behalten darf.«
    Rolgist wurde der Zwerg immer unheimlicher. Er wusste nicht mehr, was er von ihm halten sollte. Wenn Kruzmak ihm den Stein wieder abnehmen wollte, sollte er es ruhig tun, Hauptsache, er war nicht in der Nähe.
    Zögerlich nickte Rolgist mit dem Kopf.
    »Na los«, rief Glimdibur angestrengt fröhlich, »wir machen den Rest hier noch fertig, und dann gehen wir zusammen einen trinken. Ich habe ein kleines Fass Starkbier dabei, davon genehmigen wir uns einen Becher.«
    Rolgist sollte es recht sein. Je schneller sie hier weg kamen, desto besser.
    Glimdibur ließ ihn noch einigen Schutt beiseite räumen und zwei Holzstämme unter der Decke verkeilen. Dem Zwerg war nichts mehr von seiner Sinneswandlung anzumerken. Nach wenigen Augenblicken überschüttete er Rolgist schon wieder mit seinen Weisheiten.
    »Du musst immer auf das Muster im Massiv achten, daran kann man erkennen, wie sich der Stein verhält, wenn man ihn bearbeitet. So, hier muss noch eine Stütze hin, dann haben wir alles erledigt.«
    Rolgist blickte sich um. Alle Stützbalken waren verbraucht. Jetzt wieder nach oben zu gehen, um einen neuen zu besorgen, würde dauern.
    »Stützen alle«, wandte er ein. »Einfach machen Zeichen, dann bringen morgen und machen fertig.«
    Glimdibur hatte immer einen großen Sack Kreide dabei, mit der er bestimmte Gebiete markierte, an denen noch gearbeitet werden musste. Es gab eine Menge Aufgaben, die man nicht allein bewältigen konnte. Die Zeichen stellten sicher, dass hier niemand weitergrub, ohne die Felsen abzustützen.
    »Nein warte, wir können diesen hier nehmen«, sagte der Zwerg und klopfte gegen einen Stamm, der neben ihm senkrecht unter die Decke gestemmt war.
    Rolgist sollte es recht sein, besser, als dass Glimdibur ihn doch noch nach oben schickte, um einen weiteren Balken zu holen. Mit seinem Hammer im Schlepptau machte er sich daran, den Stamm auszutauschen.
    »Balken klemmt«, stöhnte Rolgist nach den ersten beiden Schlägen.
    »Dann musst du ein bisschen kräftiger zuschlagen, oder bist du gar kein Oger, sondern nur ein fetter Ork? Zeig mal, was du kannst, ich sammle inzwischen schon mal das Werkzeug wieder ein.«
    »Fetter Ork«, brummte Rolgist und holte erneut zum Schlag aus.
    Der Stamm knickte unter der Wucht des Hammers in der Mitte ein.

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