Der Sandmann
er umschlang die schöne Olimpia und durchflog mit ihr die Reihen. - Er glaubte sonst recht taktmäßig getanzt zu haben, aber an der ganz eignen rhyth-mischen Festigkeit, womit Olimpia tanzte und die ihn oft ordentlich aus der Haltung brachte, merkte er bald, wie sehr ihm der Takt gemangelt. Er wollte jedoch mit keinem andern Frauenzimmer mehr tanzen und hätte jeden, der sich Olimpia näherte, um sie aufzufordern, nur gleich ermorden mögen. Doch nur zweimal geschah dies, zu seinem Erstaunen blieb darauf Olimpia bei jedem Tanze sitzen und er ermangelte nicht, immer wieder sie aufzuziehen.
Hätte Nathanael außer der schönen Olimpia noch etwas andres zu sehen vermocht, so wäre allerlei fataler Zank und Streit unvermeidlich gewesen; denn offenbar ging das halbleise, mühsam unterdrückte Gelächter, was sich in diesem und jenem Winkel unter den jungen Leuten erhob, auf die schöne Olimpia, die sie mit ganz kuriosen Blicken verfolgten, man konnte gar nicht wissen, warum?
Durch den Tanz und durch den reichlich genossenen Wein erhitzt, hatte Nathanael alle ihm sonst eigne Scheu abgelegt. Er saß neben Olimpia, ihre Hand in der seinigen und sprach hochentflammt und begeistert von seiner Liebe in Worten, die keiner verstand, weder er, noch Olimpia.
Doch diese vielleicht; denn sie sah ihm unverrückt ins Auge und seufzte einmal übers andere: "Ach - Ach - Ach!" - worauf denn Nathanael also sprach: "O du herrliche, himmlische Frau! - du Strahl aus dem verheißenen Jenseits der Liebe -
du tiefes Gemüt, in dem sich mein ganzes Sein spiegelt" und noch mehr derglei-chen, aber Olimpia seufzte bloß immer wieder: "Ach, Ach!"
Der Professor Spalanzani ging einigemal bei den Glücklichen vorüber und lä-
chelte sie ganz seltsam zufrieden an. Dem Nathanael schien es, unerachtet er sich in einer ganz andern Welt befand, mit einemmal, als würd es hienieden beim Professor Spalanzani merklich finster; er schaute um sich und wurde zu seinem nicht geringen Schreck gewahr, daß eben die zwei letzten Lichter in dem leeren Saal herniederbrennen und ausgehen wollten. Längst hatten Musik und Tanz aufgehört.
"Trennung, Trennung", schrie er ganz wild und verzweifelt, er küßte Olimpias Hand, er neigte sich zu ihrem Munde, eiskalte Lippen begegneten seinen glü-
henden! - So wie, als er Olimpias kalte Hand berührte, fühlte er sich von inne-rem Grausen erfaßt, die Legende von der toten Braut ging ihm plötzlich durch den Sinn; aber fest hatte ihn Olimpia an sich gedrückt, und in dem Kuß schienen die Lippen zum Leben zu erwarmen. - Der Professor Spalanzani schritt langsam durch den leeren Saal, seine Schritte klangen hohl wieder und seine Figur, von flackernden Schlagschatten umspielt, hatte ein grauliches gespenstisches Ansehen.
"Liebst du mich - liebst du mich Olimpia? - Nur dies Wort! - Liebst du mich?"
So flüsterte Nathanael, aber Olimpia seufzte, indem sie aufstand, nur: "Ach -
Ach!"
"Ja du mein holder, herrlicher Liebesstern", sprach Nathanael, "bist mir aufgegangen und wirst leuchten, wirst verklären mein Inneres immerdar!"
"Ach, ach!" replizierte Olimpia fortschreitend. Nathanael folgte ihr, sie standen vor dem Professor.
"Sie haben sich außerordentlich lebhaft mit meiner Tochter unterhalten", sprach dieser lächelnd: "Nun, nun, lieber Herr Nathanael, finden Sie Geschmack daran, mit dem blöden Mädchen zu konvergieren, so sollen mir Ihre Besuche will-kommen sein."
Einen ganzen hellen strahlenden Himmel in der Brust schied Nathanael von dan-nen. Spalanzanis Fest war der Gegenstand des Gesprächs in den folgenden Tagen. Unerachtet der Professor alles getan hatte, recht splendid zu erscheinen, so wußten doch die lustigen Köpfe von allerlei Unschicklichem und Sonderbarem zu erzählen, das sich begeben, und vorzüglich fiel man über die todstarre, stumme Olimpia her, der man, ihres schönen Äußern unerachtet, totalen Stumpfsinn andichten und darin die Ursache finden wollte, warum Spalanzani sie so lange verborgen gehalten. Nathanael vernahm das nicht ohne innern Grimm, indessen schwieg er; denn, dachte er, würde es wohl verlohnen, diesen Burschen zu beweisen, daß eben ihr eigner Stumpfsinn es ist, der sie Olimpias tiefes herrliches Gemüt zu erkennen hindert?
"Tu mir den Gefallen, Bruder", sprach eines Tages Siegmund, "tu mir den Gefallen und sage, wie es dir gescheuten Kerl möglich war, dich in das Wachsgesicht, in die Holzpuppe da drüben zu vergaffen?"
Nathanael wollte zornig auffahren, doch schnell
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