Der Schakal
nacheinander am Fuß der Treppe, der Diener öffnete den Schlag zum Fond und verbeugte sich, dann bestiegen die Minister ihre Wagen und fuhren an den salutierenden Posten der Garde Républicaine vorbei auf die Rue Faubourg St.-Honoré hinaus und davon.
Innerhalb von zehn Minuten waren alle fort, bis auf zwei langgestreckte Citroën DS19. Beide fuhren jetzt langsam am Fuß der Treppe vor. Der erste, der den Stander des Präsidenten der Französischen Republik führte, wurde von François Marroux gesteuert, einem vom Trainings und Ausbildungszentrum der Gendarmerie Nationale in Satory abkommandierten Polizeifahrer. Schweigsam wie immer, hatte er sich an den Scherzen der Ministerfahrer im Hof nicht beteiligt. Daß er de Gaulles ständiger Chauffeur geworden war, verdankte er seinen eiskalten Nerven und der Fähigkeit, sehr sicher und sehr schnell zu fahren. Außer Marroux saß niemand im Wagen. Den zweiten DS 19 fuhr ebenfalls ein Gendarm aus Satory.
Um 19 Uhr 45 tauchte eine weitere Gruppe hinter den Glastüren auf, und wiederum erstarrten die Männer auf dem Kiesboden in »Habt acht!«-Stellung. Wie üblich in dunkelgrauem doppelreihigem Anzug und dunkler Krawatte, erschien de Gaulle hinter den Spiegelglasscheiben. Mit altmodischer Höflichkeit geleitete er Mme. Yvonne de Gaulle zunächst durch die Türen und nahm dann ihren Arm, um sie die Stufen hinab zum wartenden Citroën zu führen. Am Wagen trennten sie sich, und die Gattin des Präsidenten bestieg den Fond des ersten Wagens durch dessen linke hintere Tür. Der General stieg von rechts dazu und setzte sich neben Mme. de Gaulle.
Ihr Schwiegersohn, Oberst Alain de Boissieu, zu der Zeit Stabschef der Panzer und Kavallerieeinheiten der französischen Armee, überzeugte sich, daß beide Türen fest geschlossen waren, und nahm dann neben Marroux auf dem Beifahrersitz Platz.
In den zweiten Wagen stiegen zwei Männer aus der Gruppe von Beamten, die das Präsidentenehepaar die Treppe hinab begleitet hatte. Henri d'Jouder, der ungeschlachte Leibwächter vom Dienst, ein Kabyle aus Algerien, lockerte den Halfter des schweren Revolvers unter seiner linken Achselhöhle und lehnte sich in das Polster zurück. Von diesem Moment ab würde er seine Blicke unaufhörlich wandern lassen, weniger zu dem vorausfahrenden Wagen als vielmehr über das Pflaster und die Straßenecken, die sie passierten. Nach einer letzten Anweisung an einen der zurückbleibenden diensttuenden Sicherungsbeamten setzte sich der zweite Mann allein in den Fond. Es war Kommissar Jean Ducret, Chef der persönlichen Sicherungsgruppe des Präsidenten.
Zwei weißbehelmte Polizisten warfen ihre Motorräder an und fuhren, von der Innenhoffront des Westflügels herkommend, langsam aus dem Schatten heraus und auf das Portal zu. Drei Meter Abstand voneinander haltend, stoppten sie vor der Einfahrt und blickten zurück. Marroux steuerte den ersten Citroën von der Treppe fort, bog in Richtung auf das Tor ein und hielt hinter den motorisierten Vorreitern. Der zweite Wagen folgte. Es war 19 Uhr 50. Wieder schwang das eiserne Gitter auf, und der kleine Konvoi brauste an den zu Ladestöcken erstarrenden Wachtposten vorüber in die Rue Faubourg St-Honoré. Am Ende des Westflügels angelangt, bog er nach links in die Avenue Marigny ein.
Unter den Kastanienbäumen am Straßenrand saß ein junger Mann in weißem Sturzhelm auf einem Motorroller und wartete, bis der Konvoi vorbeigefahren war. Dann stieß er sich vom Bordstein ab und folgte ihm.
Für ein Wochenende im August war der Verkehr normal. Man hatte keine die Abfahrt des Präsidenten betreffende Vorwarnung gegeben. Lediglich das Heulen der Motorradsirenen machte die diensttuenden Verkehrspolizisten auf den herannahenden Konvoi aufmerksam, und nur unter beträchtlichem Aufwand an hektisch winkenden Gesten und schrillen Pfiffen auf ihren Trillerpfeifen gelang es ihnen, den Verkehr zu stoppen.
Auf der baumbeschatteten Avenue beschleunigte der Konvoi seine Geschwindigkeit und schoß auf die sonnenbeschienene Place Clemenceau hinaus, die er schnurstracks in Richtung auf den Pont Alexandre III überquerte. Im Windschatten der Regierungswagen fahrend, war es für den jungen Mann auf dem Motorroller nicht allzu schwer, sich an den Konvoi anzuhängen.
Hinter der Brücke folgte Marroux den motorisierten Polizisten in die Avenue du Maréchal Gallieni und von dort in den breiten Boulevard des Invalides. Der Fahrer des Motorrollers wußte nun, was er hatte wissen wollen:
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