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Maedchenmoerder Ein Liebesroman

Titel: Maedchenmoerder Ein Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Gefangen
    Ich habe meiner Mutter verziehen, dass sie mir an jenem Abend das Auto nicht geben wollte. Es stimmt: Ich hatte meinen Führerschein erst seit einem halben Jahr. (Allerdings stimmt nicht, dass ich schon einmal betrunken nach Hause gefahren wäre. Ich trinke keinen Alkohol. Ganz einfach, weil mir Alkohol nicht schmeckt.)
    Keiner kann sagen, ob ich nicht auch in die Hände jenes Menschen geraten wäre, wenn ich an diesem Abend das Auto gehabt hätte. Vielleicht hätte ich vor Carinas Wohnung keinen Parkplatz gefunden und wäre ihm auf dem Weg zum Auto begegnet. Oder ich hätte eine Panne gehabt, und ausgerechnet er wäre derjenige gewesen, der angehalten hätte, um mir zu »helfen«. Ich glaube, es war mein Schicksal, ihm an jenem Abend zu begegnen. Und seinem Schicksal kann keiner aus dem Weg gehen. Deshalb habe ich aufgehört, mir diese Was-wäre-geschehenwenn -Fragen zu stellen.
    Fest steht, dass ich meinem Entführer an der Haltestelle für den Nachtbus begegnet bin. Die Party bei Carina war langweilig gewesen, ursprünglich hatte ich gar nicht hingehen wollen. Kurz vor Mitternacht war Martin, Carinas älterer Bruder, gekommen, und er hatte mich überredet, noch ein bisschen zu bleiben. Später hatte er mir angeboten, mich nach Hause zu fahren.
    Von heute aus betrachtet, ist es natürlich Hohn: Ich hatte es abgelehnt, mich von Martin nach Hause bringen zu lassen, weil ich das Gefühl hatte, er würde die Gelegenheit ausnützen, etwas von mir zu wollen. Nicht, dass mir Martin unsympathisch gewesen wäre. Aber ich hatte Angst vor einer Situation, in der er mich bedrängt. Um dieser Situation aus dem Weg zu gehen, rannte ich just jenem Mann in die Arme, der keinerlei Skrupel kannte, mit mir Dinge zu tun, die Carinas Bruder nicht einmal in seinen Alpträumen eingefallen wären.
    Vielleicht erscheint es Ihnen unpassend, dass ich solche privaten Dinge über Menschen erzähle, die mit der eigentlichen Geschichte gar nichts zu tun haben. Aber ich will klarmachen, in welcher Gemütslage ich mich befand, als ich in jener Nacht an der Bushaltestelle in Köln-Marienburg saß. An einer Werbefläche hing noch das Plakat vom Express: »Danke für die geile Zick!« (Für Nicht-Kölner: »Zick« heißt »Zeit«.) Ich weiß, dass ich mich gefragt habe, wie lange sie das Plakat noch hängen lassen wollten. Die Weltmeisterschaft war seit fast zwei Monaten vorbei. Und dann fing ich an, Anagramm zu spielen. Also Buchstabenschütteln. Ich hatte gerade aus »Danke« » naked « gemacht und suchte nach einem deutschen Wort, das sich aus den Buchstaben D-A-N-K-E bilden lässt, als ich den zitronengelben Porsche langsam die Bonner Straße heraufkommen sah.
    Habe ich etwas geahnt? Ich weiß es nicht. Ich wunderte mich höchstens, dass er mit geschlossenem Verdeck fuhr, denn es war eine warme Nacht, und normalerweise fährt in solchen Nächten jeder, der ein Cabrio hat, offen. Aber natürlich kann ich nicht beweisen, dass ich das in jener Nacht wirklich gedacht habe. Vielleicht sind das viel spätere Gedanken, von denen ich nur glaube, ich hätte sie mir bereits in jenem Augenblick gemacht. In Wahrheit ging alles so schnell, dass ich keine Zeit hatte, irgendetwas zu denken, außer: Das ist nicht wahr. Das ist alles nur ein Scherz. So etwas kann überhaupt nicht passieren .
    Hätte ich eine Chance gehabt, wenn ich sofort begriffen hätte, was geschehen würde, als ich die Wagentür auffliegen sah? Wahrscheinlicher ist, dass ich zu keinem Zeitpunkt eine Chance hatte. Auch wenn mein Gedächtnis die unmittelbare Erinnerung an den Anfang meiner Entführung gelöscht hat - ich bin sicher, dass der Mann nur eine Sekunde brauchte, um aus dem Wagen zu springen. Ich hatte kaum Gelegenheit, sein Gesicht zu sehen, mein einziger Gedanke war: Den musst du kennen, warum springt er sonst auf dich zu? Aber du kennst ihn gar nicht! Und dann drückte er mir auch schon etwas ins Gesicht, das wie alter Putzlumpen stank, bloß stechender. Ich bin sicher: Zu diesem Zeitpunkt habe ich versucht zu schreien. Wenn die Anwohner der Bonner Straße die Wahrheit sagen - nämlich dass sie in jener Nacht nichts gehört haben -, bedeutet das, dass ich dazu keine Gelegenheit mehr hatte.
    Fast schäme ich mich, es zu erzählen. Aber ich habe versprochen, ehrlich zu sein. Ich verspürte eine Art Erleichterung, als mir schwarz vor Augen wurde und ich gerade noch mitbekam, dass der Mann mich nicht auf den Bürgersteig fallen ließ, sondern auffing.
    Mein Unbewusstes hatte

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