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Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
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herabhingen. Gewöhnlich trugen sie den Kopf und das dazugehörige Glied in Höhe der Kegelspitze, oft aber auch höher oder niedriger.

    Die drei anderen großen Glieder hingen meist auf ungefähr fünf Fuß Länge zusammengeschrumpft an den Seiten des Kegels herab, wenn sie nicht benutzt wurden. Aus der Geschwindigkeit, mit der sie schrieben, lasen und ihre Maschinen bedienten die Apparate auf den Tischen hatten offenbar etwas mit dem Denken zu tun -, schloß ich, daß ihre Intelligenz unermeßlich höher war als die des Menschen.

    Später sah ich sie dann überall; sie liefen scharenweise in den großen Zimmern und Korridoren umher, bedienten fürchterliche Maschinen in tiefen Gewölben und rasten in gigantischen, bootsförmigen Wagen die unglaublich breiten Straßen entlang. Ich verlor meine Angst vor ihnen, denn sie erschienen mir als ein völlig natürlicher Bestandteil ihrer Umgebung.

    Allmählich konnte ich einzelne Individuen auseinanderhalten, und manche schienen einer
    Beschränkung zu unterliegen. Obwohl diese Exemplare sich von der Gestalt her nicht von den anderen unterschieden, hoben sie sich durch ihr Verhalten und ihre Gebärden deutlich von der Mehrheit, aber auch voneinander ab. Sie schrieben sehr viel, und zwar soweit ich dies mit meinem trüben Blick erkennen konnte in unzähligen verschiedenen Schriftarten, aber nie in den typischen, krummlinigen Hieroglyphen der Mehrheit. Ein paar von ihnen, so bildete ich mir ein, verwendeten unser vertrautes Alphabet. Die meisten arbeiteten wesentlich langsamer als die überwiegende Mehrzahl der Wesen.

    In all den Träumen dieser Periode schien meine eigene Rolle die eines entkörperlichten Bewußtseins mit einem abnorm weiten Gesichtskreis zu sein, das frei umherschwebte, sich aber doch an die normalen Wege und Geschwindigkeiten halten mußte. Erst im August 1915 begannen mich Anzeichen für eine körperliche Existenz zu quälen. Ich sage quälen, weil die erste Phase eine rein abstrakte, jedoch unendlich furchterregende Verflechtung des schon früher aufgetretenen Absehens vor meinem eigenen Körper mit den Szenen aus meinen Traumgesichten darstellte.

    Eine Zeitlang war ich in meinen Träumen ängstlich darauf bedacht, nicht an mir selbst hinabzuschauen, und ich erinnere mich, wie dankbar ich für das völlige Fehlen großer Spiegel in den sonderbaren Räumen war. Ich war äußerst beunruhigt über die Tatsache, daß die großen Tische, die nicht niedriger als zehn Fuß sein konnten, mit ihrer Oberfläche ungefähr meine Augenhöhe erreichten. Und dann wurde die morbide Versuchung, an mir selbst hinabzuschauen, größer und größer, bis ich ihr eines Nachts nicht mehr widerstehen konnte.

    Zunächst sah ich, als ich nach unten blickte, überhaupt nichts. Einen Augenblick später wurde mir klar, daß dies daher kam, daß mein Kopf sich am Ende eines enorm langen Halses befand. Als ich diesen Hals einzog und sehr steil nach unten blickte, sah ich die schuppige, runzlige, glitzernde Masse eines riesigen Kegels von zehn Fuß Höhe und zehn Fuß Basisdurchmesser. Das war in jener Nacht, als ich mit einem solchen Schrei aus den Tiefen des Schlafes emporfuhr, daß halb Arkham davon aufwachte.

    Erst nachdem sich das entsetzliche Schauspiel wochenlang wiederholt hatte, fand ich mich mit dem Anblick meiner selbst in dieser fürchterlichen Gestalt halbwegs ab. Im Traum bewegte ich mich jetzt körperlich inmitten der unbekannten Wesen, las in furchtbaren Büchern aus endlosen Regalen und schrieb stundenlang an den großen Tischen mit einem Griffel, den ich mit den von meinem Kopf herabhängenden grünen Tentakeln führte.

    Bruchstücke von dem, was ich las und schrieb, fielen mir tagsüber wieder ein. Da gab es schreckliche Annalen anderer Welten und anderer Universen, Berichte von den Regungen formlosen Lebens außerhalb aller Universen. Es gab Aufzeichnungen über seltsame Gattungen von Lebewesen, welche unsere Welt in vergessenen Urzeiten bevölkert hatten, und furchtbare Chroniken über intelligente Wesen mit grotesken Körpern, die Millionen Jahre nach dem Tod des letzten menschlichen Wesens die Erde bevölkern würden.

    Ich erfuhr von Epochen der Menschheitsgeschichte, deren Existenz kein lebender Gelehrter auch nur erahnen könnte. Die meisten dieser Schriften waren in der Sprache der Hieroglyphen abgefaßt, die ich auf kuriose Weise mit Hilfe dröhnender Maschinen erlernte und die offenbar eine agglutinierende Sprache war, mit Wortstämmen wie sie in

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