Der Schatten aus der Zeit
Schatten, der so plötzlich von außen auf mich fiel.
Es mag sein, daß Jahrhunderte dunklen Grübelns das zerbrökkelnde, von unheimlichem Raunen erfüllte Arkham für solche Schatten besonders anfällig werden ließen obwohl selbst dies zweifelhaft scheint im Lichte jener anderen Fälle, die ich später untersuchen sollte. Aber der Kernpunkt ist, daß meine Abstammung und mein Hintergrund durchaus normal sind. Was kam, kam von woanders woher, das wage ich auch jetzt noch nicht geradeheraus zu sagen.
Ich bin der Sohn von Jonathan und Hannah (geborene Wingate) Peaslee, die beide aus gesunden Haverhill-Familien stammten. Ich kam in Haverhill zur Welt und wurde dort auch großgezogen auf dem alten Familiensitz in der Boardman Street am Golden Hill; ich zog erst nach Arkham, als ich im Jahre 1895 als Lektor für Nationalökonomie an die MiskatonicUniversität ging. Die folgenden dreizehn Jahre verlief mein Leben ungestört und glücklich.
Im Jahre 1896 heiratete ich Alece Keezar aus Haverhill, und meine drei Kinder Robert, Wingate und Hannah kamen 1898,1900 und 1903 zur Welt.
Im Jahre 1898 wurde ich außerordentlicher Professor und 1902 ordentlicher Professor. Zu keiner Zeit interessierte ich mich auch nur im geringsten für Okkultismus oder die Psychologie des Abnormen.
Die sonderbare Amnesie kam am Donnerstag, dem 14. Mai 1908. Alles ging ganz plötzlich, obwohl mir später klar wurde, daß gewisse kurz aufglimmende Visionen chaotische Visionen, die mich sehr aus der Fassung brachten, weil sie so beispiellos waren Frühsymptome gewesen sein mußten. Mein Kopf schmerzte, und ich hatte das undefinierbare Gefühl zum erstenmal in meinem Leben -, daß jemand anderer versuchte, sich meiner Gedanken zu bemächtigen.
Der Zusammenbruch ereignete sich ungefähr um 10 Uhr 20 vormittags, als ich eine Vorlesung über Nationalökonomie VI -Geschichte und Gegenwartstendenzen der Wirtschaft vor unteren Semestern hielt. Seltsame Formen begannen vor meinen Augen zu tanzen, und ich hatte das groteske Gefühl, nicht mehr in dem Hörsaal, sondern in einem anderen Raum zu sein.
Meine Gedanken und meine Worte irrten vom Thema ab, und meine Studenten bemerkten, daß mit mir etwas nicht in Ordnung war. Dann sackte ich bewußtlos in meinem Stuhl zusammen und versank in eine Betäubung, aus der mich niemand aufwecken konnte. Auch sollten meine naturgegebenen Fähigkeiten für fünf Jahre, vier Monate und dreizehn Tage nicht wieder ans Licht unserer normalen Welt emportauchen.
Was dann folgte, weiß ich natürlich nur von anderen. Ich kehrte sechzehneinhalb Stunden nicht ins Bewußtsein zurück, obwohl man mich in mein Haus in der Crane Street Nr. 27 gebracht hatte und mir die beste ärztliche Behandlung angedeihen ließ.
Am 15. Mai um 3 Uhr morgens schlug ich die Augen auf und begann zu sprechen, aber es dauerte nicht lange, und meine Familie und meine Ärzte erschraken zutiefst über die Art meines Ausdrucks und meiner Sprache. Es war klar, daß ich nicht wußte, wer ich war, und mich nicht an meine Vergangenheit erinnern konnte, obwohl ich aus irgendeinem Grund bemüht schien, diesen Mangel zu verbergen. Meine Augen blickten verstört auf die Umstehenden, und die Reflexe meiner Gesichtsmuskeln waren völlig anders als sonst.
Sogar meine Sprache schien plump und fremdartig. Ich bediente mich meiner Sprechorgane unbeholfen und tastend, und meine Diktion hatte etwas merkwürdig Gestelztes an sich, so als hätte ich die englische Sprache mühsam aus Büchern erlernt. Die Aussprache war barbarisch fremdartig, während die Sprache selbst sowohl einzelne, kuriose Archaismen als auch völlig unverständliche Ausdrücke enthielt.
An einen dieser Ausdrücke erinnerten sich die jüngsten meiner Ärzte zwanzig Jahre später besonders lebhaft und mit Bestürzung. Denn zu dieser viel späteren Zeit bürgerte sich eine solche Redensart tatsächlich ein erst in England und dann in den Vereinigten Staaten -, und obwohl sie sehr kompliziert und unbestreitbar neu war, enthielt sie bis in die kleinste Einzelheit die mysteriösen Worte des sonderbaren Patienten von Arkham im Jahre 1908.
Die physischen Kräfte kehrten sofort zurück, aber ich mußte seltsamerweise erst wieder lernen, meine Hände, Beine und den ganzen übrigen Körper richtig zu beherrschen. Wegen dieser und anderer Behinderungen, die der Gedächtnisverlust mit sich gebracht hatte, stand ich einige Zeit unter strenger ärztlicher Aufsicht.
Als ich einsah, daß meine
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