Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
hinweg seine Hand. »Du hast Angst um sie.«
    Bert versuchte nicht länger, ihr etwas vorzumachen. Er nickte und spürte, wie seine Mundwinkel zitterten.
     
    Die meisten Wagen waren noch ziemlich gut in Schuss. Jedenfalls sah jeder um Klassen besser aus als mein alter Renault. Das Modell, in das ich mich schließlich verliebte, war ein metallicgrüner Peugeot 206 CC. Er hatte ein stabiles Dach, das man jedoch herunterfahren konnte, um ihn in ein Cabrio zu verwandeln. Ich sah ihn und war ihm rettungslos verfallen.
    »Ich will mich nicht einmischen«, sagte Tilo. »Aber wenn das Dach unten ist, fällt der Kofferraum praktisch weg. Da kriegst du nicht mal einen Kasten Wasser verstaut.«
    »Dann lass ich das Dach eben oben, wenn ich den Kofferraum brauche.«
    Es war verrückt. Wir wohnten in einem Bauernhaus und würden noch oft zwischen Baumarkt und Gartencenter hin und her pendeln müssen. Ein Kombi hätte sich da eher angeboten.
    »Ich fühle schon den Wind im Haar und die Sonne auf dem Gesicht«, sagte Merle verzückt.
    Im Grunde war die Entscheidung längst gefallen. Ich konnte mich noch ein bisschen sträuben und nach Ausflüchten suchen, aber mir war klar, dass ich jeden vernünftigen Einwand mit einem fröhlichen Lächeln vom Tisch fegen würde.
    Tilo hob die Schultern. Das bedeutete so viel wie: Ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich sah ihn an und merkte, wie sehr ich ihn inzwischen ins Herz geschlossen hatte. Und wie gut ich ihn allmählich kannte. Etwas bedrückte ihn, das war mir schon aufgefallen, als wir uns begrüßt hatten. Irgendetwas verheimlichte er uns.
    »Wenn Sie mir bitte ins Büro folgen würden.«
    Der Autohändler, der gar nicht in diese Umgebung zu passen schien, ging über den Hof voran. Er bewegte sich wie jemand, dem die Schönheit seiner Bewegungen selbstverständlich ist, wie ein Tänzer vielleicht oder ein Zirkusartist. Seine Schritte waren so leicht, dass man sie auf dem Schotter kaum hörte. Im flirrenden Licht war er fast unsichtbar.
    Wir anderen trotteten im Gänsemarsch hinter ihm her und warfen in der Mittagssonne scharf geschnittene Schatten.
     
    Imke saß an ihrem Laptop und schrieb bei zurückgezogener Gardine. Die Sonne warf staubige Strahlen ins Zimmer, eines der zahlreichen, unpersönlichen, ewig gleichen Hotelzimmer, in denen Imke im Laufe der Jahre schon zu Gast gewesen war. Immer nur für ein, zwei Tage jedoch und nie auf unbestimmte Zeit.
    Sie hatte Heimweh. Sehnte sich nach Tilo und Jette. Sie verspürte eine unbändige Lust, die Finger im warmen Fell ihrer Katzen zu vergraben. Im Wintergarten zu sitzen mit einem heißen, starken, sündhaft süßen Tee und einem packenden Buch. Wenn sie die Augen schloss, gelang es ihr für Sekunden, den ganz spezifischen, unvergleichlichen Geruch ihres Arbeitszimmers heraufzubeschwören, den sie brauchte, nach dem sie süchtig war.
    Telefongespräche waren kein Ersatz. Sie machten den Mangel nur deutlicher. Seufzend lehnte Imke sich auf ihrem unbequemen Stuhl zurück. Sie las die letzten Sätze, die sie geschrieben hatte.
    Er hatte alle Grenzen eingerissen. Es gab kein Zurück für ihn.
    Bisher hatte sie die Motive ihrer Figuren immer nachvollziehen können. Bei diesem Buch war das anders. Sie mochte den Täter nicht. Er war ihr fremd und sie fürchtete ihn. Zum ersten Mal machte das Eigenleben einer Figur ihr Angst.
    Ich werde dich kriegen.
    Imke zuckte zusammen. Wie war der Satz in ihren Kopf gekommen? Immer häufiger passierte es ihr, dass die Ebenen sich mischten, die der Wirklichkeit und die ihrer Phantasie. Dass der Schattengänger eins wurde mit seinem literarischen Bruder.
    Nicht mehr lange, dachte Imke, und ich schreibe ihn herbei.
    Es rieselte ihr kalt über den Rücken. Sie sprang auf, griff nach ihrer Tasche, riss den Mantel vom Haken und hastete die Treppe hinunter, dass sie beinahe stürzte.
     
    Jette hatte den Handel perfekt gemacht und eine Anzahlung geleistet. In ein paar Tagen würde sie das Auto abholen können. Auf dem Heimweg waren sie in einem Landgasthof eingekehrt, wo Tilo die Mädchen zum Essen eingeladen hatte, dann waren sie nach Birkenweiler zurückgefahren und hatten sich in den Hof gesetzt, um noch eine Weile die Sonne zu genießen.
    Die Mädchen schwärmten entspannt und glücklich von dem neuen Wagen und überboten sich mit Vorschlägen, wohin die erste längere Fahrt sie führen sollte. Tilo hörte ihnen lächelnd zu und ließ den Blick über die Sträucher wandern, deren Blätter eruptionsartig zu

Weitere Kostenlose Bücher