Der Schatz des Störtebeker
Anführer der Seeräuber zornig ins Gesicht.
»Willst du gleich hinterher?«, fragte Störtebeker.
»Ihr seid ein Teufel!«, stieß Burchard unbeherrscht hervor.
Der Seeräuber trat ihm in die Seite. Dann winkte er zwei Gefolgsleute herbei.
»Hoch mit ihm! An den Mast! Er soll auskosten können, was ihm blüht.«
Sie banden ihn an den Mast und zwangen ihn zuzusehen, wie seine Gefährten einer nach dem anderen ins Meer geworfen wurden. Vorher wurden sie gefragt, wie sie hießen und woher sie kamen. Niemand schien ihnen wertvoll genug zu sein, um ihn als Geisel zu behalten. Bat einer von ihnen um Gnade, lachten die Piraten schallend oder beschimpften ihn unflätig und warfen ihn mit doppeltem Schwung ins Meer. Jan Burchard sah mit zusammengekniffenen Lippen und Tränen in den Augen zu.
Als das grausige Schauspiel zu Ende war, baute sich Störtebeker vor seinem letzten Gefangenen auf und lachte höhnisch: »Gottes Freund und aller Welt Feind.«
»Ein Teufel seid Ihr!«
Störtebeker deutete eine Verbeugung an: »Herr Satan persönlich. Und mit wem habe ich die Ehre?«
»Ich bin Jan Burchard, Kaufmann aus Hamburg.«
»… und fürchtet weder Tod noch Teufel.«
»So ist es.«
»Und wie kommt es dann, dass du dich derart nass gemacht hast?«
Burchard schwieg peinlich berührt.
»Und du warst der Anführer dieser erbärmlichen Bande?«
»Man hat mir diese drei Kauffahrteischiffe anvertraut.«
»Die ich gern in meinen Besitz übernehme.«
»Es wird Euch teuer zu stehen kommen.«
»Oho!« Störtebeker wandte sich an die umstehenden Piraten: »Habt ihr gehört, Männer? Es wird uns teuer zu stehen kommen.«
Die verwahrlosten Kerle lachten.
»Ich habe keine Angst vor Euch!«, schrie Burchard, und das war eindeutig gelogen.
Störtebeker packte seinen Gefangenen am Kinn und stieß seinen Kopf gegen den Mast.
»Du wirst jetzt schweigen, Jan Burchard, so lange, bis ich dir wieder erlaube, das Wort an mich zu richten.«
»Ich…«
Eine Klinge blitzte vor Burchards Augen auf. Störtebekers Dolch. »Schweig, sonst schneide ich dir die Zunge raus!«
Burchard verstummte.
»Legt ihn in Ketten!«, kommandierte Störtebeker.
Dann wandte er sich an einen neben ihm Stehenden: »Die Hamburger sind reich und um das Wohlergehen ihrer Bürger besorgt. Sie werden ein hohes Lösegeld zahlen.«
Nun bestand die Seeräuberflotte aus neun Koggen. Die Mannschaften wurden aufgeteilt, und die gesetzlose Bande setzte ihren Weg fort. Von Norwegen kommend, wo sie einen langen und trübseligen Winter in einem Fjord versteckt zugebracht hatten, waren sie in südliche Gefilde aufgebrochen, um einerseits den Orlogschiffen der Hanse zu entgehen, die neuerdings verstärkt Jagd auf sie machten, andererseits um endlich wieder auf Beutezug zu gehen. Immer mehr Handelsschiffe in der Nordsee wurden neuerdings von Kriegsschiffen begleitet, außerdem fuhren sie oftmals in großen Konvois, die selbst so wagemutige Piraten wie Störtebekers Haufen nicht gern angriffen. Die drei Hansekoggen waren ein gefundenes Fressen für sie gewesen.
Während der junge Hamburger Kaufmann bei Wasser und Brot in einer schmutzigen Ecke des Laderaums in Ketten lag, erreichten die Piraten die spanische Küste. Hier liefen sie kleinere Fischerorte an, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen, die sie ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit mit dem Geld bezahlten, das sie von den Hanseaten erbeutet hatten. Sie waren auf der Suche nach einem lohnenden Angriffsziel, sie sprachen mit den Fischern, mit den Bauern und hörten irgendwann, als sie Asturien hinter sich gebracht hatten und die raue Küste von Galizien in Sicht kam, von einem reichen und einsam gelegenen Kloster auf einer Landzunge, in dem sich angeblich eine geheime Kammer mit unermesslichen Schätzen befinden sollte, die Kreuzfahrer dort versteckt hätten.
Die Piraten hatten sich lange genug gelangweilt. Sie wollten erobern, Beute machen, Feinde töten. Sie gingen vor der Landzunge vor Anker, ließen die Boote zu Wasser und ruderten dem düsteren Gemäuer entgegen, das auf einem Felsen errichtet worden war.
Das Unternehmen wurde ein Reinfall. Das lag weder an den unbezwingbar anmutenden dicken Mauern des Klosters noch an der massiven Zugbrücke, die zum Haupttor führte: Sie war nicht einmal hochgezogen, auch kein Gitter war herabgelassen. Auch waren die Mönche nicht bewaffnet und stellten sich den Schwerter schwingenden Seeräubern keineswegs entgegen. Sie waren ohnehin nur zu sechst und schon sehr
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