Der Schatz des Störtebeker
alt. Von einem Schatz fehlte allerdings jede Spur. Die Mönche waren lediglich in Würde ergraute Herrscher über zwei Fischerboote, einen großen, gut gepflegten Gemüsegarten und ein Verlies, in dem einstmals Ketzer auf den rechten Weg zurückgebracht wurden.
Die Piraten fesselten die Mönche, die keinerlei Widerstand leisteten, und schleppten sie in die Folterkammer. Da sie sich jedoch mit den verschiedenen Gerätschaften, die hier gut geölt und blank poliert herumstanden, nicht besonders gut auskannten und auch die Mühe scheuten, traktierten sie die Gottesmänner mit bloßen Fäusten. Sie wollten nicht glauben, dass es hier tatsächlich keine sagenhaften Schätze gab. Die Mönche schwiegen eisern. Nachdem die Seeräuber fünf von ihnen erschlagen hatten und der sechste immer noch kein Wort sagte, gab Störtebeker den Befehl, seinen Gefangenen vom Schiff zu holen.
Jan Burchard, der schon seit einer Ewigkeit nicht mehr an der frischen Luft gewesen war, geschweige denn festen Boden unter den Füßen gespürt hatte, taumelte, angetrieben durch Hiebe und Tritte, den steinernen Pfad zum Kloster hinauf. Störtebeker verlangte von ihm, den Mönch zum Reden zu bringen. Burchard sprach Spanisch, Französisch, Italienisch, Lateinisch. Aber auf keine seiner Fragen reagierte der Mönch. Am Rand seines Gesichtsfelds, im flackernden Schein einiger Fackeln, bemerkte der junge Hamburger die Foltergeräte. Die Angst spornte seinen Geist an. Endlich fiel ihm des Rätsels Lösung ein: »Habt Ihr ein Schweigegelübde abgelegt?«, fragte er den Mönch. Der Alte nickte.
Störtebeker waren alle Arten von Gelübden egal: »Er soll sagen, wo der Schatz ist, sonst schneide ich ihm die Zunge heraus!«
Jan Burchard übersetzte. Der Mönch öffnete den Mund. Er hatte bereits keine Zunge mehr.
Störtebeker fluchte und wollte gar nicht mehr aufhören, als einer seiner Männer mit einer goldenen Schatulle hereinkam. Der Anführer der Seeräuber nahm die kleine Truhe und hielt sie dem Mönch unter die Nase.
»Frag ihn, ob darin ein Schlüssel für die Schatzkammer ist«, forderte er den jungen Hanseaten auf.
Jan Burchard übersetzte ins Lateinische. Der Mönch schüttelte den Kopf.
»Ist ein Schatz da drin?«
Der Mönch zögerte.
»Etwas Kostbares?«
Der Mönch wiegte den Kopf hin und her.
»Ich werde diese verdammte Truhe zertreten und ihm den Kopf abreißen, wenn er nicht sofort sagt, was da drin ist!«, schrie Störtebeker.
Der Mönch machte eine Handbewegung.
»Er verlangt nach etwas zum Schreiben«, erklärte Jan Burchard.
Der Seeräuber konnte mit diesem Wunsch nichts anfangen. »Schreiben?«, fragte er verständnislos.
»Er will aufschreiben, was in der Truhe ist«, sagte Jan Burchard.
»Ich zertrete sie, dann weiß ich es auch.«
»Vielleicht wird sein Wert dann zerstört.«
»Pah, was brauchst du denn zum Schreiben?«
»Papier, Tinte, Federkiel.«
Störtebeker sah sich suchend um. Derartige Utensilien waren in der Folterkammer nicht vorhanden. »Er soll uns dahin bringen, wo man schreiben kann«, verlangte er.
Der Mönch führte sie durch den Klosterhof und den Kreuzgang in eine Kammer, in der sich nur ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl befanden. Auf dem Tisch stand ein Tintenfass, daneben lagen Papier und ein Federkiel. Der Mönch tauchte den Kiel in die Tinte und schrieb mit ruhiger Hand.
»Los schon!«, drängte Störtebeker, dem das geschriebene Wort nicht ganz geheuer zu sein schien.
»Eine Reliquie«, sagte Jan Burchard.
»Was?«
»Ah, Knochen…«
»Was?«
»Die Knochen eines Heiligen sollen darin sein.«
»Er lügt.«
»Und ein Heiligtum.«
»Was für ein Heiligtum?«
»Glaube, Liebe, Hoffnung.«
»Er soll endlich die Truhe öffnen!«
»Er hat den Schlüssel nicht.«
»Zum Donnerwetter!« Störtebeker warf das Kästchen einem seiner Leute zu. »Los! Aufbrechen!«
Der Pirat blickte die goldene Truhe ängstlich an. »Da sind die Knochen eines Heiligen drin.«
»Na und?«
Der Pirat gab die Kiste weiter. Auch der Nächste zögerte: »Wenn da aber auch sein Geist…?«
»Zum Teufel mit euch Feiglingen!« Störtebeker riss ihm das Kästchen wütend aus der Hand, zog den Dolch aus dem Gürtel und machte sich am Schloss zu schaffen. Die Spitze des Dolchs brach ab. Der Seeräuber fluchte, steckte ihn in den Gürtel zurück und zog sein Schwert aus der Scheide.
Der Mönch schlug die Hände vors Gesicht. Störtebeker holte aus und hieb das Schwert auf die kleine Truhe. Sie bekam eine Delle, hielt
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