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Der Schatz im Silbersee

Der Schatz im Silbersee

Titel: Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich bis auf bequeme Hörweite genähert hatten, lüpfte der Kastenträger leicht seinen Hut und grüßte den andern: »Good day, Kamerad. Woher des Weges?«
    »Von Kinsley da unten,« antwortete der Gefragte, indem er mit der Hand rückwärts deutete. »Und Ihr?«
    »Von überall her. Zuletzt von der Farm, welche da hinter mir liegt.«
    »Und wohin wollt Ihr?«
    »Überall hin. Zunächst nach der Farm, welche da vor uns liegt.«
    »Gibt es da eine?«
    »Ja. Wir werden kaum länger als eine halbe Stunde zu gehen haben.«
    »Gott sei Dank! Ich hätte es auch nicht länger aushalten können!«
    Er sagte das mit einem tiefen Seufzer. Er war herangekommen und stehen geblieben, wobei man seinen Körper wanken sah.
    »Nicht aushalten? Warum?«
    »Vor Hunger.«
    »Alle Teufel! Hunger? Ist das möglich! Warte, da kann ich helfen. Setzt Euch nieder, hierher auf meinen Kasten. Ihr sollt gleich etwas zwischen die Zähne bekommen.«
    Er legte den Kasten ab, drückte den Fremden auf denselben nieder, zog dann aus der Brusttasche seines Frackes zwei riesige Butterbrote hervor, brachte aus der einen Schoßtasche ein großes Stück Schinken zum Vorscheine, reichte beides dem Hungrigen und fuhr fort: »Da eßt, Kamerad! Es sind nicht etwa Delikatessen, aber für den Hunger wird es ausreichend sein.«
    Der andre griff schnell zu. Er war so hungrig, daß er das Brot sofort zum Munde führen wollte; hoch besann er sich, hielt in dieser Bewegung inne und meinte: »Ihr seid sehr gütig, Sir; aber diese Sachen sind für Euch bestimmt; wenn ich sie esse, werdet dann Ihr selbst hungern müssen.«
    »O nein! Ich sage Euch, daß ich auf der nächsten Farm soviel zu essen bekommen werde, wie mir beliebt.«
    »So seid Ihr dort bekannt?«
    »Nein. Ich war noch nie in dieser Gegend. Aber sprecht jetzt nicht, sondern eßt!«
    Der Hungrige folgte dieser Aufforderung, und der Yankee setzte sich in das Gras, sah ihm zu und freute sich darüber, daß die riesigen Bissen so schnell hinter den gesunden Zähnen des Essenden verschwanden. Als sowohl Brot wie auch Schinken alle geworden waren, fragte er: »Satt seid Ihr noch nicht, aber einstweilen befriedigt wohl?«
    »Ich bin wie neugeboren, Sir. Denkt Euch, ich bin seit drei Tagen unterwegs, ohne einen Bissen zu essen.«
    »Ist das denkbar! Von Kinsley bis hierher habt Ihr nichts gegessen? Warum? Konntet Ihr Euch denn nicht Proviant mitnehmen?«
    »Nein. Meine Abreise ging zu plötzlich vor sich.«
    »Oder unterwegs einkehren?«
    »Ich habe die Farmen vermeiden müssen.«

»Ah so! Aber Ihr habt ein Gewehr bei Euch; da konntet Ihr Euch doch ein Wild schießen!«
    »O, Sir, ich bin kein Schütze. Ich treffe eher den Mond als einen Hund, der gerade vor mir sitzt.«
    »Wozu dann aber das Gewehr?«
    »Um etwaige rote oder weiße Vagabunden abzuschrecken.«
    Der Yanke sah ihn forschend an und meinte dann: »Hört, Master, bei Euch ist irgend etwas nicht in Ordnung. Ihr scheint Euch auf der Flucht zu befinden und doch ein höchst ungefährliches Subjekt zu sein. Wo wollt Ihr denn eigentlich hin?«
    »Nach Sheridan an die Eisenbahn.«
    »So weit noch, und ohne Lebens- und Existenzmittel! Da könnt Ihr leicht Schiffbruch leiden. Ich bin Euch unbekannt, aber wenn man sich in der Not befindet, so ist es gut, Vertrauen zu fassen.
    Sagt mir also, wo Euch der Schuh drückt. Vielleicht kann ich Euch helfen.«
    »Das ist bald gesagt. Ihr seid nicht aus Kinsley, sonst müßte ich Euch kennen, und könnt also nicht zu meinen Feinden gehören.
    Ich heiße Haller; meine Eltern waren Deutsche. Sie kamen aus dem alten Lande herüber, um es zu etwas zu bringen, kamen aber nicht vorwärts. Auch mir haben keine Rosen geblüht. Ich habe mancherlei gemacht und gearbeitet, bis ich vor zwei Jahren Bahnschreiber wurde. Zuletzt war ich in Kinsley angestellt. Sir, ich bin ein Kerl, der keinen Wurm treffen kann, aber wenn man allzusehr beleidigt wird, so läuft endlich die Galle über. Ich bekam mit dem dortigen Redakteur einen Streit, auf welchen ein Duell folgte. Denkt Euch, ein Duell auf Flinten.
    Und ich habe niemals im Leben so ein Mordwerkzeug in den Händen gehabt! Ein Duell auf Flinten, dreißig Schritt Distanz!
    Es wurde mir gelb und blau vor den Augen, als ich es nur hörte.
    Ich will es kurz machen: die Stunde kam, und wir stellten uns auf. Sir, denkt von mir, was Ihr wollt, aber ich bin ein friedfertiger Mann und mag kein Mörder sein. Schon bei dem Gedanken, daß ich den Gegner töten könnte, überlief mich eine

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