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Der Schatz im Silbersee

Der Schatz im Silbersee

Titel: Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gänsehaut, welche so scharf wie ein Reibeisen war. Darum zielte ich, als kommandiert wurde, mehrere Ellen weit daneben.
    Ich drückte ab, er auch. Die Schüsse gingen los - denkt Euch, ich war nicht getroffen, aber meine Kugel war ihm gerade durch das Herz gegangen. Die Flinte, die gar nicht mir gehörte, festhaltend, rannte ich entsetzt fort. Ich behaupte, daß der Lauf krumm ist; die Kugel geht volle drei Ellen zu weit nach links.
    Was aber das Schlimmste war, der Redakteur hatte einen zahl-und einflußreichen Anhang, und das hat hier im Westen gar viel zu bedeuten. Ich mußte fliehen, sofort fliehen, und nahm mir nur Zeit, mich kurz von meinem Vorgesetzten zu
    verabschieden. Meiner ferneren Existenz wegen gab er mir den Rat, nach Sheridan zu gehen, und händigte mir einen offenen Empfehlungsbrief an den dortigen Ingenieur ein. Ihr könnt ihn lesen, um Euch zu überzeugen, daß ich die Wahrheit sage.«
    Er zog ein Schreiben aus der Tasche, öffnete es und gab es dem Yankee. Dieser las:
    »Liebster Charoy.
    Hier sende ich Dir Master Joseph Haller, meinen bisherigen Schreiber. Er ist von deutscher Abstammung, ein ehrlicher, treuer und fleißiger Kerl, hat aber das Unglück gehabt, um die Ecke zu schießen und gerade darum seinen Gegner in den Sand zu legen. Er muß darum für einige Zeit von hier fort, und Du thust mir einen Gefallen, wenn Du ihn in Deinem Bureau so lange beschäftigst, bis hier Gras über die Angelegenheit gewachsen ist.
    Dein
    Bent Norton.«
    Unter diesem Namen war zur besseren Legitimation noch ein Stempel angebracht. Der Yankee faltete den Brief wieder zusammen, gab ihn dem Eigentümer zurück und sagte, indem ein halb ironisches, halb mitleidiges Lächeln um seine Lippen spielte: »Ich glaube Euern Worten, Master Haller, auch ohne daß Ihr mir diesen Brief zu zeigen braucht. Wer Euch sieht und sprechen hört, der weiß, daß er einen grundehrlichen Menschen, welcher gewiß mit Willen kein Wässerlein trübt, vor sich hat. Mir geht es gerade wie Euch, auch ich bin kein großer Jäger und Schütze vor dem Herrn. Das ist kein Fehler, denn der Mensch lebt nicht durch Pulver und Blei allein. Aber so sehr ängstlich wie Ihr, wäre ich an Eurer Stelle denn doch nicht gewesen. Ich glaube, Ihr habt Euch ein wenig ins Bockshorn jagen lassen.«
    »O nein; die Sache war wirklich gefährlich.«
    »So seid Ihr überzeugt, daß man Euch verfolgt hat?«
    »Gewiß! Darum habe ich bisher alle Farmen vermieden, damit man nicht erfahren soll, wohin ich mich gewendet habe.«
    »Und seid Ihr überzeugt, daß Ihr in Sheridan gut aufgenommen werdet und eine Stelle erhaltet?«
    »Ja, denn Mr. Norton und Mr. Charoy, der Ingenieur in Sheridan, sind außerordentlich befreundet.«
    »Nun, welchen Gehalt gedenkt Ihr dort zu beziehen?«
    »Ich hatte jetzt wöchentlich acht Dollar und meine, daß man mich dort ebenso bezahlen wird.«
    »So! Ich weiß eine Anstellung mit noch einmal so viel, also sechzehn Dollar und freie Station für Euch.«
    »Was? Wirklich?« rief der Schreiber erfreut, indem er aufsprang. »Sechzehn Dollar? Das ist ja geradezu zum Reichwerden!«
    »Wenn auch das nicht; aber sparen könntet Ihr Euch etwas dabei.«
    »Wo ist diese Stelle zu haben? Bei wem?«
    »Bei mir.«
    »Bei - - Euch?« erklang es im Tone der Enttäuschung.
    »Allerdings. Wahrscheinlich traut Ihr mir das nicht zu?«
    »Hm! Ich kenne Euch nicht.«
    »Dem kann gleich abgeholfen werden. Ich bin nämlich Magister Doktor Jefferson Hartley, Physician und Farrier meines Berufes.«
    »Also Menschen- und Roßarzt?«
    »Arzt für Menschen und Tiere,« nickte der Yankee. »Habt Ihr Lust, so sollt Ihr mein Famulus sein, und ich zahle Euch den erwähnten Gehalt.«
    »Aber ich verstehe nichts von der Sache,« erklärte Haller bescheiden.
    »Ich auch nicht,« gestand der Magister.
    »Nicht?« fragte der andre erstaunt. »Ihr müßt doch Medizin studiert haben?«
    »Fällt mir gar nicht ein!«
    »Aber, wenn Ihr Magister und auch Doktor seid - -!«
    »Das bin ich allerdings! Diese Titel und Würden besitze ich; daß weiß ich am allerbesten, denn ich selbst habe sie mir verliehen.«
    »Ihr - - Ihr selbst?«
    »Freilich! Ich bin offen gegen Euch, weil ich denke, daß Ihr meinen Antrag annehmen werdet. Eigentlich bin ich Schneider; dann wurde ich Friseur, nachher Tanzlehrer; später gründete ich ein Erziehungsinstitut für junge Ladies, als das aufhörte, griff ich zur Ziehharmonika und wurde wandernder Musikant.
    Seitdem habe ich mich noch in zehn bis

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