Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz von Blackhope Hall

Der Schatz von Blackhope Hall

Titel: Der Schatz von Blackhope Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Candace Camp
Vom Netzwerk:
erwartet? Selbst wenn Joan sie noch so kunstvoll frisierte – sie war nicht der Frauentyp, den ein Mann begehrte.
    "Reiten Sie morgen früh mit mir aus?" fragte er in neutralem Ton. "Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen die Ländereien."
    "Oh ja, das wäre nett." Obwohl sie keine gute Reiterin war, wollte sie die Einladung nicht ablehnen.
    "Nach dem Frühstück?"
    Olivia nickte. Natürlich hatte sein Vorschlag nichts zu bedeuten, denn er musste den Eindruck erwecken, sie wären befreundet. Deshalb würde es seine Familie sonderbar finden, wenn er sich nicht um sie kümmerte.
    Den Kandelaber in der Hand, beleuchtete er den Weg, und sie verließen den Wintergarten. Warmer Kerzenschein hüllte sie ein, der große Raum blieb in nächtlichen Schatten zurück. Weder Olivia noch Stephen spähten über die Schulter. Und so sahen sie die dunkle Gestalt nicht, die reglos in einer Ecke stand, von dichten Palmwedeln fast verborgen.
     
    Am nächsten Morgen, eine Stunde nach dem Frühstück, ritten Olivia und Stephen aus. Glücklicherweise hatte er eine sanftmütige Stute für sie satteln lassen, und er begnügte sich mit einem gemächlichen Trab. Die schmale Straße führte um ein Wäldchen am Ende des Gartens herum, über eine Wiese, an einigen Farmen vorbei. Alle Arbeiter, die sie auf den Feldern antrafen, begrüßte er freundlich und sprach sie mit ihren Namen an.
    Als Olivia das erwähnte, zuckte er mit den Schultern. "Nun, das sind meine Pächter."
    "Sicher gibt es viele Gutsherren, die nicht wissen, wie ihre Leute heißen."
    "Das finde ich nicht nachahmenswert. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für einen typischen Aristokraten, Olivia. Nun, vielleicht hängt meine Einstellung mit meinem jahrelangen Aufenthalt in Amerika zusammen. Jedenfalls erscheint mir der gesellschaftliche Status eines Menschen immer unwichtiger. Nach meiner Ansicht ist ein Landgut ein geschäftliches Unternehmen und kein gottgewolltes ererbtes Privileg."
    "Nehmen Sie sich bloß in Acht!" mahnte sie und lachte leise. "Sonst wird man Sie auch bald 'verrückt' nennen. Jetzt reden Sie wie mein Bruder Reed, den ich übrigens als Ihren Freund ausgegeben habe." Verwirrt wandte er sich ihr zu, und sie erklärte: "Belinda fragte mich, wie ich Sie kennen gelernt habe. Da ich die Szene bei der Séance nicht schildern mochte, behauptete ich, Sie hätten Reed besucht und da seien wir uns begegnet."
    "Ah, ich verstehe. Eine ausgezeichnete Idee. Und wieso kenne ich Ihren Bruder?"
    "Das sollten Sie entscheiden, Stephen. Entweder gehören Sie seinem Club an. Oder Sie hatten wegen irgendwelcher Geschäfte miteinander zu tun. Er kümmert sich um die Finanzen unserer Familie. Das macht er sehr gut – ein Glück für uns, denn die übrigen Morelands haben keine Ahnung vom Geld. Papa interessiert sich nur für die Antike, Mama für das Wahlrecht der Frauen und die Löhne der Fabrikarbeiter."
    "Und Ihre anderen Geschwister?"
    "Theo, der Älteste, unternimmt Forschungsreisen. Alle ein oder zwei Jahre kehrt er nach Hause zurück, dann folgt er wieder dem Lauf des Amazonas oder sieht sich in Afrika um. Jetzt hält er sich in Australien auf, schon seit mehreren Monaten, und wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen. Seine Zwillingsschwester Thisbe ist Naturwissenschaftlerin, Kyria eine Gesellschaftslöwin. Und Constantine und Alexander – unsere zweiten Zwillinge, zehn Jahre alt – befassen sich hauptsächlich mit albernen Streichen."
    "Constantine und Alexander? Wie die historischen Herrscher?"
    Lächelnd nickte sie. "Glauben Sie mir, es hätte noch schlimmer kommen können. Papa wollte die beiden Castor und Pollux nennen. Aber das hat Mama verhindert."
    "Dafür werden sie ihr sicher danken, wenn sie älter sind."
    "Zweifellos."
    "Eine originelle Familie …"
    "Oh ja. Und kein Einziger ist verrückt."
    "Großer Gott, dieser Fauxpas wird mich noch lange verfolgen", stöhnte Stephen. "Tut mir ehrlich Leid. So habe ich das nicht gemeint. Ich kannte Ihre Familie gar nicht und …"
    "Schon gut, es ist Ihnen einfach herausgerutscht."
    "Im Grunde dürfte es nur eine Floskel sein. Man hält die Morelands nicht wirklich für verrückt, eher für sonderbar."
    "Das vermute ich auch. Aber ich ärgere mich über den Grund, warum man uns seltsam findet. Wir halten Wissenschaft und Forschung für wichtiger als Reitkünste oder Klatschgeschichten, wir sorgen uns um Menschen, die nicht zur Oberschicht gehören, und wir ignorieren gesellschaftliche Unterschiede. Zum Beispiel bin ich verrückt,

Weitere Kostenlose Bücher