1726 - Die Polizistin
Tommys Gesicht lief rot an. »Das ist ja alles okay. Aber nicht durch uns beide.«
»Stimmt.«
»Wieso?«
Angela Fox lächelte. »Du bleibst hier zurück. Du wartest gut zehn Minuten ab. Ich setze mich dann mit dir in Verbindung, wenn alles geklärt ist und du kommen kannst. Ist das eine Lösung?«
»Nein, das ist keine.« Er stöhnte auf. »Das ist einfach nur der reine Wahnsinn. Du bist lebensmüde.«
Sie legte dem Kollegen die Hand auf die Schulter. »Tommy, ich weiß genau, was ich tue. Das muss ich durchziehen, verstehst du?«
»Nein, das verstehe ich nicht.«
»Ist auch egal. Jedenfalls werde ich dich jetzt zurücklassen.«
Sie sagte nichts mehr, wandte sich mit einer schnellen Drehung ab und ließ Wilcox einfach stehen.
Dann ging sie in die Einfahrt hinein, die wie ein offener Schlauch vor ihr lag. Sie endete in einem Hof, dessen Pflaster im Laufe der Jahre aufgerissen war und zahlreiche Löcher aufwies, die Stolperfallen bildeten.
Der Boden der Einfahrt war zu einer Müllhalde geworden. Die Polizistin überstieg zerdrückte Dosen, altes Papier und sogar ein paar Lumpen, die sich auf dem zerrissenen Pflaster verteilten.
Ihr Ziel sah sie jetzt schon. Es lag jenseits des Durchgangs in einem Hof. Man konnte es auch als Abbruchgelände bezeichnen, das darauf wartete, endlich plan gemacht zu werden. Wer sich hier verstecken wollte, hatte die besten Chancen. Der musste nur in den Bau huschen und konnte sich dabei mehrere Eingänge aussuchen oder aber auch durch Fensterlöcher klettern.
Es war ein altes Lagerhaus. Der Fluss war nicht weit entfernt, und in früheren Jahren hatte der graue Flachbau seine Pflicht getan. Das war längst vorbei. Das Gebäude stand noch immer, es war nur beschädigt. Es gab keine Fensterscheiben mehr, auch die Eingänge waren ohne Türen, und wer hineinging, befand sich in einer schmutzigen Umgebung, in der sich nur Ratten wohl fühlten.
Das wusste Angela Fox, die von Freunden Angie genannt wurde. Sie war die toughe Polizistin mit den langen braunroten Haaren, die sie allerdings jetzt unter ihrer Mütze verborgen hielt.
Wer so offen auf den Bau zuging, obwohl er wusste, dass sich darin ein Killer versteckte, der musste entweder Mut haben oder lebensmüde sein. Jeden Moment hätte der Gesuchte in einem der Fenster oder auch Türausschnitte erscheinen können, um einen weiteren Mord zu begehen. Daran schien Angela nicht zu denken, denn sie ging mit ruhigen Schritten weiter und hatte nicht mal ihre Waffe gezogen. Und so huschte sie auch durch einen der Eingänge in den Bau hinein.
Draußen war es hell gewesen, hier im Innern herrschte ein graues Zwielicht. Sie ging einige Schritte vor, blieb stehen und schaute sich um.
Wohin? Wo konnte sich der Killer versteckt haben?
Sie wusste es nicht. Aber sie hatte einen Vorteil. Sie konnte sich auf ihren Instinkt verlassen, der sie bisher noch nie im Stich gelassen hatte. Instinkt, ein Wissen und gewisse Voraussetzungen, die nur sie besaß.
Nachdem sie sich auf der Stelle gedreht hatte, ging sie in eine bestimmte Richtung. Zu sehen gab es dort nichts. Aber Angie war sich trotzdem sicher, das Richtige zu tun, und so ging sie nahezu lässig weiter, als wäre sie ein Gast auf einer Party. Man hatte ihr nachgesagt, dass sie vom Gesicht her Julia Roberts glich. Ja, es gab schon bei ihr diesen auffälligen Mund, der jetzt zum Lächeln in die Breite gezogen war, als sie das Ziel erreichte, das sie angesteuert hatte.
Es war der Zugang zum Keller. Eine Steintreppe, die in die Tiefe führte und damit auch hinein in das Dunkel, aus dem ihr ein feuchter Geruch entgegen wehte.
Die Polizistin blieb vor der ersten Stufe stehen. Sie lauschte, hörte jedoch kein verdächtiges Geräusch und ging trotzdem davon aus, das Richtige getan zu haben.
Sie hätte ihre Dienstwaffe ziehen können, was sie nicht tat. Normal schritt sie die Stufen hinab.
An den Wänden hingen kunstvolle Gebilde, die sich als Spinnweben herausstellten.
Sie ließ die Stufen recht schnell hinter sich und schaute dann in den Kellergang, in dem es eigentlich dunkel sein musste, aber nicht war, denn links sah sie eine helle Insel.
Grünliches Licht schimmerte ihr entgegen.
Für Angela Fox stand fest, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Es war das Versteck des Killers, der hier eine Pause zwischen seinen Taten einlegte.
Wie nannte man ihn noch?
Den Kopfschuss-Killer, denn seine Opfer hatte er stets durch einen Schuss in die Stirn getötet. Er kam aus Irland und hatte dort schon im
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