Der Schatz von Blackhope Hall
du Madame Valenskaya schätzt. In Zukunft werde ich an meine Manieren denken."
Formvollendet verbeugte er sich vor Lady Eleanor. Dann bot er Olivia seinen Arm. Seite an Seite schlenderten sie durch die Eingangshalle und den hinteren Korridor hinab zum Wintergarten. Zwischen zahllosen Grünpflanzen standen Korbmöbel mit geblümten Kissen. Nur die Kerzen leuchteten im Flur, und das Mondlicht, das durch große Fenster hereindrang, erhellte den Raum ein wenig. Stephen entzündete eine Kerze in einem Kandelaber und führte Olivia zu einem Sofa in der Mitte des Wintergartens.
"Nun werden Sie mir vorwerfen, ich sei schrecklich dumm gewesen", begann er. "Das weiß ich selbst. Aber ich habe es einfach nicht ertragen, wie diese Frau den Namen meines Bruders für diese widerwärtige Farce benutzte – und das Leid meiner Mutter skrupellos missbrauchte."
Erstaunt registrierte sie, dass er Rodericks trauernde Witwe nicht erwähnte. Vorhin war ihr aufgefallen, wie frostig er mit Pamela gesprochen hatte. Doch das ging sie nichts an. "Ja, es ist abscheulich. Leider glaubt Ihre Mutter felsenfest, Madame Valenskaya könne den Geist Ihres Bruders heraufbeschwören. Mit logischen Argumenten werden wir sie wohl kaum vom Gegenteil überzeugen. Also müssen wir das Ränkespiel des Mediums hiebund stichfest beweisen."
"Offensichtlich. Wie raffiniert diese Russin den Geist mit ihrer Stimme sprechen ließ! Sicher ist es schwierig, das Täuschungsmanöver aufzudecken."
"Halten wir uns an den Trick mit der schimmernden Hand. Das muss ein bemalter Handschuh gewesen sein, mit Papier oder Stoff ausgestopft, an einer ausziehbaren Stange befestigt. Den Handschuh und die zusammengeklappte Stange hätte sie mühelos in einer Tasche ihres Kleids verstecken können. Wie Sie vermutlich bemerkt haben, trägt sie ziemlich voluminöse Röcke. Vor der Séance ging sie in ihr Zimmer, um die Sachen zu holen."
"Das glaube ich auch. Und wie hilft uns das weiter? Soll ich sie etwa auffordern, ihre Taschen durchsuchen zu lassen?"
"Nein, das wäre unhöflich. Beobachten wir einfach, was sie tut und wann – und im richtigen Moment zünden wir ein Streichholz an und erwischen sie in flagranti."
"Manchmal frage ich mich, ob Mutter nicht einmal dann auf den ganzen Humbug verzichten würde, wenn wir sie mit unwiderlegbaren Beweisen konfrontierten." Nachdenklich fuhr er fort: "Und was hatte dieses Gerede von verlorenen Seelen zu bedeuten, die keine Ruhe finden? Ist es normal, solche Themen bei einer Séance anzuschneiden?"
"Keineswegs. Das war in der Tat seltsam. Für gewöhnlich erzählen die Geister, wie wohl sie sich auf der anderen Seite fühlen, wie friedlich und wundervoll es dort zugeht. Immerhin wollen die Leute hören, dass ihre geliebten Verstorbenen in der Geisterwelt ein glückliches Leben führen, damit sie selbst keine Angst mehr vor dem Tod haben müssen, weil sie nach ihrem Ableben in dieses Paradies der Seligen eingehen würden."
"Aber Madame Valenskaya gaukelt Mutter aus irgendeinem Grund vor, Roderick wäre unglücklich. Wollen wir wetten, dass es eine beträchtliche Summe kosten wird, seiner Seele Frieden zu schenken?"
"Da haben Sie zweifellos Recht", seufzte Olivia. "Und ich fürchte, Lady St. Leger würde ein Vermögen bezahlen, um ihrem Sohn zu helfen."
"Abgesehen vom Geld, das dieses schurkische Trio ihr entlocken möchte – im Augenblick ist sie zutiefst bekümmert, weil sie um Rodericks ewige Ruhe bangt. Bevor Madame Valenskaya ihr Ziel erreicht, wird meine Mutter Höllenqualen ausstehen. Und letzten Endes wird sie zahlen, was immer das niederträchtige Medium verlangt."
"Oh Stephen, es tut mir so Leid." Mitfühlend legte Olivia ihre Hand auf seinen Arm.
Als er sie anschaute, vermochte sie kaum zu atmen. Warum erwachten alle Nerven in ihrem Körper plötzlich zu vibrierendem Leben?
Mit seiner anderen Hand umschloss er ihre Finger, und seine warme, raue Haut erregte Emotionen, die Olivia nie zuvor empfunden hatte. Würde sie sich in diesen Silberaugen verlieren? Und sie wusste nicht einmal, ob sie diese Möglichkeit beängstigend oder verlockend fand …
"Olivia …" Wie sanft ihr Name aus seinem Mund klang …
Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen, erwiderte sie seinen Blick. Stephen neigte sich zu ihr, dann hielt er abrupt inne. In seinem Kinn bebte ein Muskel, hastig entfernte er seine Hand von ihrer und stand auf. Ein wenig enttäuscht erhob sie sich ebenfalls. Sei nicht albern , ermahnte sie sich. Was hatte sie denn
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