Der Schatz von Blackhope Hall
Werden deine kostbarsten alten Bücher woanders aufbewahrt? Bücher aus jener Zeit? Die müssen uralt sein."
"Oder sehr langweilig", ergänzte Stephen. "Was ein plausibler Grund wäre, um sie woanders aufzuheben. Also gut, versuchen wir unser Glück. Hier haben wir fast alle Bücher durchgeschaut und nichts Brauchbares gefunden. Wo sollen wir nachgucken? Im unbenutzten Flügel?"
"Das weiß ich nicht. Glaubst du, dort würden wir Bücher finden?"
"Möglich wäre es. Oder vielleicht stehen auf dem Dachboden ein paar Bücherkisten."
Sie beschlossen, den Speicher zuerst zu erforschen. Nachdem sie die Haushälterin gefragt hatten, wo alte Bücher lagern könnten, stiegen sie eine schmale Treppe hinauf und betraten einen großen, düsteren Raum, nur von je einem Fenster zu beiden Seiten erhellt. Stephen hatte eine Laterne mitgebracht. Doch sie verbreitete nur einen kleinen Lichtkreis, und das restliche Dachgeschoss blieb im Schatten.
Am östlichen Ende begannen sie mit der Suche. Die schwankende Lampe in Stephens Hand warf einen gespenstisch tanzenden Widerschein auf Schränke, Truhen und Kommoden. Dazwischen häuften sich verschiedene Gegenstände – Spazierstöcke, eine Schneiderpuppe, die auf den ersten Blick erschreckend menschlich aussah, sogar ein grotesker Schirmständer, aus einem Elefantenfuß hergestellt.
Als sie einen der Winkel erreichten, auf den die Haushälterin hingewiesen hatte, stellte Stephen die Laterne auf eine Kiste. Mit Olivias Hilfe öffnete er alle Truhen und Kästen in der Nähe. Dabei fanden sie Kleider und Schuhe und Spielsachen, zahlreiche Erinnerungsstücke an vergangene Tage. Endlich entdeckten sie einige Bücherkisten.
Jedes einzelne Buch nahmen sie heraus und blätterten darin. Bald waren Olivias Hände und ihr Kleid mit Staub bedeckt. Sie nahm an, ihr Haar und ihr Gesicht wären genauso schmutzig. Doch das interessierte sie nicht. Vermutlich würde eine Frau wie Pamela diese Aktivitäten lächerlich finden.
Aber Olivia genoss in vollen Zügen, was sie tat. Angeregt unterhielt sie sich mit Stephen über dieses oder jenes Buch, und sie amüsierten sich über den literarischen Geschmack seiner Ahnen. Wie sie in liebevoller Belustigung feststellte, war er ebenso beschmutzt wie sie selbst. Über seinem Kopf lagen Spinnweben.
In den beiden ersten Bücherkisten entdeckten sie nichts Aufschlussreiches. Trotzdem gaben sie die Suche nicht auf. Und dann hielt Stephen triumphierend einen dicken Band hoch.
"'Die vollständige Geschichte des Blackhope Manor'", las er vor und lächelte Olivia an.
Erfreut schrie sie auf. "Was steht denn drin?"
Er schlug die erste Seite auf und hielt sie ins Laternenlicht. "Offenbar das Werk eines wichtigtuerischen illustren Ahnherrn. Er schildert die Geschichte des Hauses, fängt aber mit dem Jahr an, in dem die St. Legers das Landgut in Besitz nahmen."
"Dann kann man den Bericht wohl kaum 'vollständig' nennen", beschwerte sich Olivia.
"Auf den ersten Blick kommt es mir so vor, als wolle er vor allem die grandiosen Leistungen der Familie St. Leger würdigen. Sein Interesse gilt in erster Linie den diversen Anbauten." Vorsichtig blätterte er in den vergilbten Seiten. "Moment mal – da steckt ein zusammengefaltetes Pergament drin … Nein, es ist am hinteren Einband festgeklebt."
Behutsam faltete er das brüchige Dokument auseinander, bis es vier Mal so groß war wie eine Buchseite.
"Sieht wie ein Stammbaum aus."
Olivia spähte über Stephens Schulter und betrachtete zahlreiche miteinander verbundene Linien. "Sind das deine Vorfahren?"
"Das nehme ich an – nein, schau doch …" Aufgeregt hielt er den Atem an. "Die Scorhills! Hier steht der Name des hingerichteten Lord Scorhill. Siehst du das Datum?"
"Reicht der Stammbaum noch weiter zurück?" fragte Olivia, die Augen zusammengekniffen.
Stephens Zeigefinger folgten den Linien. "Da! Sir Raymond, geboren 11??, gestorben 1173."
"Keine Abkömmlinge. Aber hier erstrecken sich drei Zweige zur Seite. Die müssten Ehefrauen bedeuten, nicht wahr?"
"Ja." Stephen wies auf jeden Namen. "Eine Unbekannte, eine Gertrude of Rosemont."
Mühsam schluckte Olivia. "Und eine Alys." Schaudernd blickte sie zu Stephen auf. "Wir haben sie gefunden."
12. Kapitel
Eine Stunde lang blieben sie noch auf dem Dachboden und durchsuchten Kisten und Truhen an Stellen, wo sie nach der Meinung der Haushälterin am ehesten Bücher finden würden.
Doch sie entdeckten nichts Bedeutsames, abgesehen von einer Geschichte der
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