Der Scherbensammler
hoffte inständig, dass er die Mädchen heil und gesund antreffen würde.
Zuerst sah ich nur die beiden Polizisten rechts und links neben der Haustür. Der eine zog mich zur Seite, der andere Merle. Sie hielten Waffen in den Händen.
»Und das andere Mädchen?«, fragte der eine.
»Im Wohnzimmer.« Merles Zähne klapperten vor Erregung aufeinander. »Sie kämpfen.«
Ohne ein weiteres Wort drückten sie uns ins Gras und liefen geduckt ins Haus. Und dann sah ich die anderen Polizisten. Es wimmelte von ihnen.
Beide hörten die Bewegung bei der Tür, doch nur Ben drehte sich danach um.
Im nächsten Augenblick lag er benommen zu Cleos Füßen. Sie wandte sich von ihm ab und drückte sich an den Polizisten vorbei, die ihr schweigend Platz machten.
Draußen warteten Jette und Merle. Und jede Menge Polizei.
Cleo fühlte das Blut an ihrer Schläfe, aber sie kümmerte sich nicht darum. Das würde jemand anders tun. Einer aus dem Team fühlte sich bestimmt verantwortlich. Und das war gut so. Sie würden lernen, miteinander auszukommen. Mit Tilos Hilfe.
Im Lotus-Sitz setzte sie sich ins Gras.
Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt.
Für den Moment konnte sie gehen.
Bert drückte die Klinke mit dem Ellbogen nieder und schob die Tür mit der Schulter auf. Sie saßen gemeinsam auf einem der drei Betten und sahen ihm entgegen. Blass um die Nasen und zerknirscht, Jette mit einem Verband ums Fußgelenk und Mina mit einem Pflaster auf der Stirn.
Oder Cleo.
Oder wer auch immer sie gerade sein mochte.
»Das ist nicht als Belohnung gedacht«, sagte Bert, als er jeder einen kleinen Biedermeierstrauß überreichte. »Es ist ein Gruß von Jettes Mutter. Sie hat mir das Versprechen abgenommen, die schönsten Blumen auszusuchen, die ich finden konnte.«
»Danke«, sagte Jette.
»Für alles«, sagte Merle.
Mina sah ihn nur an.
»Nie wieder.« Bert hob großväterlich den Zeigefinger. »Versprecht mir das.«
Sie versprachen es mit einem Lächeln, das auch ganz anders gemeint sein konnte. Bert beließ es dabei. Sie standen noch unter Schock. Das große Elend würde sie morgen einholen und lange nicht aus den Klauen lassen.
»Was ist mit Ben?«, fragte Jette.
»Er wird in die Psychiatrie eingewiesen«, sagte Bert. »Alles andere wird sich nach der Einschätzung der Gutachter richten.«
Er ist kein schlechter Mensch, sagten Jettes Augen. Aber sie presste die Lippen fest aufeinander.
Bert gab ihr das zweite Handy, das er für alle Fälle immer im Auto liegen hatte.
»Ihre Mutter wartet auf Ihren Anruf.«
Er hatte noch allerhand zu tun. Sich einen anderen Job zu suchen, gehörte nicht dazu.
Auf dem Weg zum Fahrstuhl pfiff er leise vor sich hin. Wie selten die Augenblicke waren, in denen er die ganze Welt hätte umarmen mögen. Und wie kostbar.
Impressum
Verlagsgruppe Random House
1. Auflage Originalausgabe Mai 2007 Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform
© 2007 cbt/cbj Verlag, München
Umschlagfoto und -konzeption: init.büro für gestaltung, Bielefeld st · Herstellung: CZ
eISBN : 978-3-641-02324-9
www.cbj-verlag.de
www.randomhouse.de
ebook Erstellung - Mai 2010 - TUX
Ende
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