Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
hervorgerufen. Er erinnerte sich, wie er während ihrer Mahlzeiten stets unter irgendeinem
Vorwand die Höhle zu verlassen pflegte.
„Höre, Guamoko … Guamokolatokint”, sagte er schmeichelnd, „muß es denn sein?”
„Ich hab’s dir gesagt, das Weitere ist deine Sache”, erwiderte der Vogel.
Seufzend packte Urfin einige Habseligkeiten der Zauberin ein, setzte die Eule auf seine
Schulter und ging nach Hause.
Die Käuer, die ihm unterwegs begegneten, sprangen beim Anblick seines verdrossenen
Gesichtes erschrocken zur Seite.
Urfin teilte von jetzt an sein Haus mit der Eule. Er kam mit keinem Menschen zusammen,
liebte niemanden und wurde von niemandem geliebt.
Erster Teil
DAS ZAUBERPULVER
EINE UNGEWÖHNLICHE PFLANZE
Eines Abends tobte ein schreckliches Gewitter, und die Käuer meinten, der böse Urfin
habe es heraufbeschworen. Ihre Zähne klapperten, es schien ihnen, als ob ihre Häuschen
einstürzen würden.
Als Urfin am nächsten Morgen aufstand und durch den Garten ging, bemerkte er auf einem
Salatbeet einige grellgrüne Keime von ungewöhnlichem Aussehen. Die Samen waren wohl
vom Gewitter hierher verweht worden. Niemand hätte sagen können, aus welchem Teil des
Landes sie kamen.
„Ich hab doch erst neulich gejätet, und schon wuchert wieder das Unkraut”, knurrte Urfin.
„Na warte, ich werd mit dir schon fertig werden!”
Er ging in den Wald, wo er Fallen aufgestellt hatte, und blieb dort den ganzen Tag.
Guamoko wußte nicht, daß sein Herr eine Pfanne und Butter mitgenommen hatte. im
Walde briet sich der Tischler ein fettes Kaninchen, das er mit großem Appetit verzehrte.
Als er wieder nach Hause kam und das Salatbeet sah, machte er vor Staunen ganz große
Augen. Das Beet war überwuchert von hohen grellgrünen Pflanzen mit länglichen
fleischigen Blättern.
„Unerhört!” rief Urfin aus. „Dieses Unkraut war nicht müßig!”
Er faßte einen Stengel an und wollte ihn mit der Wurzel ausreißen. Vergeblich! Die
Pflanze gab nicht nach, und in Urfins Hände bohrten sich die Stacheln, die die Stengel und
Blätter bedeckten.
Wutschnaubend entfernte Urfin die Stacheln aus seinen Händen, zog ein Paar
Lederfäustlinge an und begann wieder an den Pflanzen zu zerren. Als es nichts nutzte,
nahm er ein Beil und haute damit auf die Pflanzen ein.
Zischend durchschnitt das Beil die saftigen Stengel, und sie fielen zur Erde.
„Euch will ich’s zeigen!” frohlockte Urfin, der mit dem Unkraut wie mit einem lebendigen
Feind verfuhr.
Am Abend lagen die Pflanzen auf der Erde verstreut, und der erschöpfte Urfin ging
schlafen.
Als er am nächsten Morgen wieder in den Garten trat, sträubten sich ihm die Haare auf
dem Kopf.
Auf dem Salatbeet, in dem die Wurzeln der Pflanze verblieben waren, und auf dem
ausgetretenen Weg, auf den er die abgehauenen Stengel geworfen hatte, stand wie eine
Mauer das hohe Unkraut mit den grellgrünen fleischigen Blättern.
„Verdammt!” brüllte Urfin und stürzte sich erneut in den Kampf. Wieder haute er die
Stengel ab, rodete die Wurzeln und zerhackte alles auf einem Hackklotz in kleine Stücke.
Am Rande des Gartens, hinter den Bäumen, lag ein öder Platz. Dorthin trug Urfin den
Pflanzenbrei, den er nach allen Seiten verstreute.
So arbeitete er den ganzen Tag. Schließlich war der Garten vom Unkraut gesäubert, und
der müde Tischler ging zu Bett. Er schlief schlecht. Im Traum sah er sich vom Unkraut
umgeben, dessen Stacheln ihm ins Fleisch drangen.
Bei Tagesanbruch ging Urfin auf den Ödplatz, um nachzuschauen, was dort über Nacht
geschehen war.
Was er sah, erschütterte ihn derart, daß er nur einen Seufzer ausstieß und kraftlos zu Boden
sank. Die Lebenskraft der unbekannten Pflanze übertraf alles Dagewesene:
Der unfruchtbare Boden war über und über mit Keimen bedeckt. Als Urfin am Vorabend
den Häcksel über den Platz verstreute, fielen Safttropfen auch auf die Pfähle des Zauns
und die Baumstämme, und jetzt zeigten sich überall junge Triebe.
Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte den Tischler. Er zog seine Stiefel aus, kehrte die
Sohlen nach oben und sah, daß auch sie von winzigen Keimen bedeckt waren. Junge
Triebe lugten aus den Nähten seiner Kleider und sprossen auf dem Hackklotz.
In der Vorratskammer gewahrte er, daß auch der Stiel seines Beils von jungen Sprossen
bedeckt war.
Da setzte er sich auf die Treppe vor seiner Haustür und begann nachzudenken. Was sollte
er nun anfangen? Sein Heim verlassen und fortziehen? Es tat ihm aber
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