Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
wo Goodwin der Große und Schreckliche ihm
das erste Mal als vielarmiges und vieläugiges Ungeheuer erschienen war.
Jetzt saß der Scheuch in würdiger Haltung auf dem Thron. Neben ihm stand Elli, die
silbernen Schuhe an den Füßen und das goldene Hütchen auf dem Kopf, etwas weiter
kauerten der Tapfere Löwe und Toto schka mit ihren funkelnden Goldketten um den Hals,
und auf der Lehne des Thrones saß Kaggi-Karr.
Im Saal drängten sich lachend und tuschelnd die Höflinge, die nicht in Urfins Dienst
getreten waren. Jetzt waren sie furchtbar stolz darauf, protzten mit ihrer Treue für den
Weisen Scheuch und warteten, dafür belohnt zu werden.
Der Scheuch erhob sich und machte fünf Schritte auf seine Gäste zu, was von den
Höflingen als Zeichen höchster Gnade gedeutet wurde.
Dann wurden lange Tische mit zahllosen Getränken und Speisen in den Saal getragen. Es
begann ein frohes Fest, das bis zum Abend dauerte. Die Einwohner der Stadt hatten ihre
schönsten Kleider angezogen, und die schreckliche Zeit der Herrschaft Urfins kam ihnen
jetzt nur noch wie ein schwerer Traum vor.
Wenige Tage später wurde über Urfin Gericht gehalten. Die Einwohner der
Smaragdenstadt schlugen vor, ihn in ein Bergwerk zu verbannen.
Da erhob sich Charlie Black und sagte:
„Liebe Freunde! Täten wir nicht besser, diesen Mann sich selber zu überlassen?”
„Richtig!” sagte Elli. „Das wird die schwerste Strafe für ihn sein. Stellt euch vor, er wird
unter den Leuten leben, die er sich unterwerfen wollte, und alles wird ihn an seine
scheußlichen Verbrechen erinnern!”
„Gut gesagt, Elli!” rief der Scheuch. „Ich bin ganz deiner Meinung!”
„Ich auch”, pflichtete ihm der Eiserne Holzfäller bei.
„Ich auch, ich auch”, riefen der Tapfere Löwe und Totoschka.
Kaggi-Karr wollte etwas einwenden, kam aber nicht dazu, denn die Einwohner der
Smaragdenstadt riefen wie aus einem Munde:
„Hurra! Hoch Elli und ihre Freunde!”
Urfin verließ den Saal, gefolgt von den Pfiffen und Schmährufen der Bürger und Farmer.
Setzt sollte über das Schicksal de r Holzsoldaten und der Polizisten entschieden werden.
„Ins Feuer mit ihnen!” schrie Kaggi-Karr.
Der Scheuch aber legte den Finger an die Stirn und bat, ihn beim Nachdenken nicht zu
stören. Der Saal wartete gespannt.
Nach langem Sinnen sprach der Weise Sche uch:
„Wir werden sie nicht verbrennen, denn damit wäre uns wenig genützt. Lieber machen wir
aus ihnen gute Arbeiter, damit sie dem allgemeinen Wohle dienen. In unserem Land gibt es
viel zu tun. Da die Holzköpfe aus Holz sind, müssen sie sich doch auf Holz verstehen.
Also mögen sie Gärtner und Waldheger sein! Wer könnte besser als sie die Bäume
pflegen? Freilich wäre es gut, ihnen Gehirne einzusetzen, aber das wird leider nicht gehen,
weil ihre Köpfe nicht hohl sind.”
Der Scheuch hielt eine lange Rede, mit der er im stillen sehr zufrieden war.
Alle hörten ihm mit großer Aufmerksamkeit zu. Dann sagte der Eiserne Holzfäller:
„Wir sollten den Holzsoldaten neue gute Herzen einsetzen.”
„Aber sie haben ja gar keine gehabt”, entgegnete der Scheuch.
„Ja, dann weiß ich nicht, was wir mit ihnen tun sollen”, erwiderte der Holzfäller betrübt.
Wieder bat der Scheuch, man solle ihm Zeit zum Überlegen lassen. Diesmal dachte er aber
mehr als eine Stunde nach, und zwar so angestrengt, daß ihm die Nadeln aus dem Kopf
krochen, der plötzlich wie ein Igel aussah. Das Volk schaute mit Ehrfurcht und Angst auf
seinen Herrscher.
Da schlug sich der Scheuch mit der Hand gegen die Stirn.
„Ich hab’s!” rief er. Ein freudiges Raunen ging durch die Menge. „Die Holzsoldaten haben
weder Hirne noch Herzen. Also liegt ihr ganzer Charakter in den Gesichtern. Nicht
umsonst hat Urfin ihnen solche grimmigen Gesichter geschnitten. Wenn wir ihnen nun
freundliche, lächelnde Gesichter machen, werden sie sich bestimmt ganz anders verhalten.”
Was der Scheuch sagte, leuchtete den Zuhörern ein. Jedenfalls lohnte es sich, seinen
Vorschlag auszuprobieren.
Man beschloß, den Versuch an dem Palisandergeneral Lan Pirot vorzunehmen. Er wurde
geholt und vor die Richter gestellt.
„Hören Sie, General!” sagte der Scheuch. „Bekennen Sie sich schuldig der Verbrechen, die
Sie begangen haben?”
„Nein!” knurrte der General: „Es geschah auf Befehl meines Königs.”
„Was würden Sie tun, wenn man Sie freilassen und Ihnen Soldaten geben würde?”
Der General schnitt eine solch schreckliche Grimasse, daß
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