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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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gibt der Kürbiskopf nach, greift in sein Jackett – er trägt eins, was in Panama nicht üblich ist, es sei denn, man ist Jemand , oder man ist ein Bodyguard –, zückt die Brieftasche, entnimmt besagter Brieftasche eine Banknote, steckt besagte Brieftasche in die linke Innentasche zurück, kurbelt das Fenster weit genug auf, daß der Schwarze den Schirm in den Wagen schieben und der Kürbiskopf ein paar Höflichkeiten mit ihm austauschen und ihm zehn Dollar geben kann, ohne völlig durchnäßt zu werden. Ende des Manövers. Merke: der Kürbiskopf spricht Spanisch, obwohl er gerade erst hier angekommen ist.
    Und Pendel lächelt. Er lächelt wahrhaftig in Vorfreude, zusätzlich zu dem Lächeln, das ihm immer ins Gesicht geschrieben steht.
    »Jünger als ich dachte«, ruft er dem wohlgeformten Rücken Martas zu, die in ihrem Glaskasten kauert und gespannt ihre Lotterielose nach den Gewinnzahlen durchsieht, die sie nie hat.
    Beifällig. Als freue er sich über zusätzlich gewonnene Jahre, in denen er Osnard Anzüge verkaufen und seine Freundschaft genießen konnte, anstatt ihn sofort als den zu erkennen, der er war: ein Kunde aus der Hölle.
     
    Und nachdem er Marta diese Bemerkung zugerufen und außer einer anteilnehmenden Bewegung ihres dunklen Kopfs keine Antwort erhalten hatte, nahm Pendel, wie immer, wenn ein neues Konto eröffnet wurde, die Haltung ein, in der er zuerst gesehen zu werden wünschte.
    Das Leben hatte ihn gelehrt, sich auf den ersten Eindruck zu verlassen, und so legte er denn auch Wert auf den ersten Eindruck, den er selbst auf andere machte. Zum Beispiel erwartet niemand, daß sich ein Schneider einfach nur hinsetzt. Aber Pendel hatte schon vor langer Zeit beschlossen, P & B zu einer Oase der Ruhe im hektischen Treiben der Welt zu machen. Und daher war es ihm wichtig, daß man ihn als erstes in seinem alten Pförtnerstuhl erblickte, vorzugsweise mit der Times von vorgestern auf dem Schoß.
    Und es konnte auch überhaupt nichts schaden, wenn, wie jetzt, auf dem Tisch vor ihm, zwischen alten Ausgaben von Illustrated London News und Country Life , ein Tablett mit einer echtsilbernen Teekanne und ein paar leckeren, frischen, extradünnen Gurkensandwiches stand, meisterlich von Marta in der Küche zubereitet, wohin sie sich, auf eigenen Wunsch, beim Eintreffen eines neuen Kunden stets zurückzog, damit nicht in der heiklen Anfangsphase durch die Anwesenheit einer von Narben entstellten Mulattin der männliche Stolz eines weißen Panamaers verletzt wurde, der doch schließlich zur Verschönerung hierherkam. Auch las sie dort gern ihre Bücher, nachdem Pendel sie endlich überredet hatte, ihr Studium fortzusetzen. Psychologie und Sozialgeschichte und noch ein Fach, das er sich einfach nicht merken konnte. Ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte Jura studiert, aber das hatte sie schlankweg ausgeschlagen, mit der Begründung, daß Anwälte Lügner seien.
    »Es schickt sich nicht«, pflegte sie in ihrem sorgfältig gedrechselten, ironischen Spanisch zu sagen, »daß die Tochter eines schwarzen Zimmermanns sich für Geld selbst in den Schmutz zieht.«
     
    Einem starkgebauten jungen Mann, der bei Platzregen mit einem blauweißen Buchmacherschirm aus einem kleinen Auto aussteigen will, bieten sich diverse Vorgehensweisen an. Osnard – falls er es war – wählte eine ebenso komplizierte wie problematische. Zunächst machte er den Schirm im Wagen halb auf, dann schob er sich in wenig vorteilhafter Haltung, mit dem Hinterteil voran, nach draußen, während er gleichzeitig versuchte, den Schirm nachzuziehen und über sich zu bringen, um ihn dann für die restlichen Meter mit triumphierendem Schwung gänzlich zu öffnen. Doch blieben entweder Osnard oder der Schirm in der Wagentür stecken, so daß Pendel für einen Augenblick nichts anderes sah als einen breiten britischen Hintern, bedeckt von einer braunen Gabardinehose, die im Schritt zu tief geschnitten war, sowie ein dazu passendes Jackett mit zwei Schlitzen, das von dem prasselnden Regen schier in Fetzen gerissen wurde.
    Sommerstoff, zehn Unzen, stellte Pendel fest. Terylene-Gemisch, viel zu warm für Panama. Kein Wunder, daß er schnell ein paar Anzüge haben will. Taille mindestens achtunddreißig. Der Schirm hatte sich doch öffnen lassen. Manche klemmen. Der hier ging auf wie eine Fahne bei sofortiger Kapitulation, klappte dann aber im selben Tempo über dem oberen Teil des Körpers zusammen. Jetzt wurde der Mann unsichtbar, wie jeder Kunde auf dem

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