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Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Sie würde sich ins Restaurant setzen und warten müssen. Aber das war blöde. Es würde unpassend aussehen: Kuckuck, schau mal, wer schon da ist! Oder schlimmer noch: He, Kare, wo warst du, ich warte die ganze Zeit auf dich!
    Sie trat hinaus auf die Terrasse des Fiskehuset. Regen schlug ihr ins Gesicht. Andere wären sofort wieder ins Innere gegangen, aber Lund besaß kein Empfinden für schlechtes Wetter. Sie hatte ihre Kindheit auf dem Land verbracht. Sie liebte sonnige Tage, aber Sturm und Regen taten's auch. Genau genommen fiel ihr erst jetzt auf, dass die Böen, die den Jeep während der letzten halben Stunde durchgerüttelt hatten, in einen handfesten Sturm umgeschlagen waren. Es war nicht mehr so dunstig, dafür jagten die Wolken nun tiefer über den Himmel. So weit sie blicken konnte, war die See gefurcht und mit weißer Gischt überzogen.
    Etwas kam ihr seltsam vor.
    Sie war oft genug hier gewesen, um die Gegend hinreichend zu kennen. Dennoch schien es ihr, als sei das Ufer breiter als sonst. Kies und Felsen erstreckten sich weiter ins Meer als gewöhnlich, trotz der hereinrollenden Wellen. Es hatte beinahe den Anschein, als finde eine außerplanmäßige Ebbe statt.
    Du musst dich irren, dachte sie.
    Kurz entschlossen zog sie ihr Handy hervor und wählte SverdrupsMobilnummer. Sie konnte ihm ebenso gut sagen, dass sie schon hier war. Besser, als wenn die Überraschung misslang. Wahrscheinlich sah sie Gespenster, aber es war ihr lieber, dass er es wusste. Ein langes Gesicht oder auch nur den geringsten Mangel an Freude konnte sie heute schlecht vertragen.
    Es schellte viermal, dann meldete sich seine Mailbox.
    Auch gut. Das Schicksal hatte es anders gewollt.
    Dann eben warten.
    Sie strich sich das nass gewordene Haar aus der Stirn und ging wieder nach drinnen in der Hoffnung, wenigstens die Kaffeemaschine in Bereitschaft vorzufinden.
     
     
    Tsunami
    Das Meer war voller Ungeheuer.
    Seit Menschengedenken bot es Raum für Mythen, Metaphern und Urängste. Odysseus' Gefährten fielen der sechsköpfigen Scylla zum Opfer. Poseidon schuf aus Ärger über Cassiopeias Hochmut das Ungeheur Cetus und schickte Laokoon aus Rache für den Verrat an Troja eine riesige Seeschlange auf den Hals. Den Sirenen ließ sich nur mit Wachs in den Ohren beikommen. Nixen, Meeressaurier und Riesenkraken machten die Phantasie unsicher. Vampyrotheutis infernalis schließlich wurde zum Antipoden aller menschlichen Werte. Selbst das gehörnte Tier aus der Bibel war dem Meer entstiegen. Und ausgerechnet die Wissenschaft, ihrem Wesen nach der Skepsis verschrieben, predigte neuerdings den wahren Kern all der Legenden und atemlosen Berichte, seit man den Quastenflosser wieder gefunden und die Existenz des Riesenkalmars bewiesen hatte. Nachdem die Menschen jahrtausendelang Furcht empfunden hatten vor den Bewohnern der Abyssale, heftete man sich nun begeistert an ihre Fersen. Dem aufgeklärten Geist war nichts heilig, nicht einmal mehr die Angst. Die Ungeheuer waren zu besseren Spielkameraden geworden, die echten ebenso wie die eingebildeten, Plüschtiere der Forschung.
    Bis auf eines.
    Es war das schlimmste von allen. Es versetzte auch den abgeklärtesten Verstand in Panik. Wann immer es sich aus dem Meer erhob und über das Land kam, brachte es Tod und Zerstörung. Seinen Namen verdankte es japanischen Fischern, die auf hoher See nichts von seinem Schrecken mitbekamen, um bei ihrer Rückkehr ihr Dorf verwüstet undihre Angehörigen tot vorzufinden. Sie hatten ein Wort für das Ungeheuer gefunden, das wörtlich übersetzt »Welle im Hafen« bedeutete. Tsu für Hafen, Nami für Welle.
    Tsunami.
    Albans Entscheidung, Kurs auf tiefe Gewässer zu nehmen, zeigte, dass er das Ungeheuer und seine Eigenarten kannte. Der größte Fehler wäre gewesen, den vermeintlich schützenden Hafen anzulaufen.
    Also tat er das einzig Richtige.
    Während sich die Thorvaldson durch schwere Seen kämpfte, stürzten Kontinentalhang und Schelfkante weiter in die Tiefe. Der entstehende Sog senkte den Meeresspiegel auf großer Fläche ab. Wellen breiteten sich um die Absturzstelle aus und rasten ringförmig nach allen Seiten los. Über dem Zentrum der Erschütterung, einem Gebiet von immerhin mehreren tausend Quadratkilometern, waren sie noch so flach, dass sie sich in dem tobenden Sturm nicht bemerkbar machten. Die Amplitude betrug knapp einen Meter über dem Meeresspiegel.
    Dann jedoch erreichten sie flaches Schelfgebiet.
    Alban hatte beizeiten gelernt, was

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