Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Küsten der Vergangenheit

Die Küsten der Vergangenheit

Titel: Die Küsten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
 
1
     
     
    Schön anzusehen, in Bernstein die Formen
    Von Haaren, Stroh, von Schmutz oder Würmern
    Bekannte Dinge, nicht häufig noch selten.
    Und doch: Wir wundern uns, wie zum Teufel
    Sie hineingekommen sind.
    ›Epistel an Dr. Arbuthnot‹
    Alexander Pope
     
     
    »Wenn das nicht das allerverdammteste Ding ist …« Tom Lasker mußte die Stimme heben, um den Wind zu übertönen. Will hielt mit seinem Spaten voll schwarzer Erde inne und drehte sich neugierig nach seinem Vater um.
    Eine dreieckige Platte, nicht unähnlich einer Haifischflosse, ragte aus dem Boden. Offensichtlich aus Metall, aber nicht verrostet.
    Sie befanden sich auf der flachen Erhebung, die den westlichen Rand der Farm säumte. Es war bereits dunkel, und sie hatten eine Lichterkette aufgehängt. Sie arbeiteten an einem System, das Wasser aus dem Brunnen über den Hügel pumpen sollte. Lasker ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über das Objekt gleiten, und Will stieß mit der Stiefelspitze dagegen. Die Nacht roch nach baldigem Wintereinbruch. Ein kalter Wind zog herauf und brachte die Lichterkette zum Schaukeln. Lasker kniete nieder und wischte mit behandschuhten Fingern den Dreck beiseite. Das Objekt war hellrot. Glatt und hart. Als Lasker daran zog, bewegte es sich keinen Deut.
    Das Farmhaus befand sich vielleicht eine Viertelmeile entfernt. Es war ein zweistöckiges Holzhaus, das geschützt in einem kleinen dichten Wäldchen lag. Seine Lichter leuchteten in der Dunkelheit warm und einladend.
    Die Haifischflosse endete in einem Stab von gleichem Material und gleicher Farbe. Alles war aus einem Stück gegossen. Der Stab verschwand in einem Winkel von vielleicht dreißig Grad im Boden. Will schob seinen Spaten darunter und versuchte, ihn herauszuhebeln. Er wackelte ein wenig, doch das war auch schon alles. »Auf drei«, sagte sein Vater.
    Tom Lasker zählte, und sie hebelten gemeinsam, verloren das Gleichgewicht und fielen lachend übereinander. »Das reicht für heute abend, Paps«, sagte Will. »Laß uns heimgehen und essen.«
     
    Der Pembina-Rücken war durch die Schlafzimmerfenster von Tom Laskers Haus zu sehen. Der Rücken bestand aus einer Reihe verwitterter Hügel und Kämme und hervorspringender Felsen und bot einen recht beeindruckenden Anblick in einer Landschaft, die ansonsten flach war wie ein Bügelbrett. Vor zehntausend Jahren war dort die Küstenlinie eines Binnenmeeres verlaufen, das weite Gebiete von Dakota, Minnesota, Manitoba und Saskatchewan bedeckt hatte. Der Fleck, an dem heute Tom Laskers Haus stand, hatte damals mehrere hundert Fuß unter dem Wasserspiegel gelegen.
    Lasker war ein großer Mann; ein wenig unbeholfen, mit dünner werdendem braunen Haar und breiten Schultern. Sein Gesicht war scharf geschnitten, rauh und von tiefen Linien durchzogen, eine Folge zu vieler unbarmherziger Winter. Tom Lasker hatte sein gesamtes Leben in der Gegend von Fort Moxie verbracht. Er selbst betrachtete sich als relativ uninteressanten Mann. Nichts weiter als ein Farmer, der hart arbeitete, nicht allzu gesellig war und sich um seine Familie kümmerte. Er war glücklich verheiratet, seine beiden Söhne schienen sich zu halbwegs vernünftigen Erwachsenen zu entwickeln, und er liebte das Fliegen. Wie viele andere ortsansässige Farmer besaß auch Tom eine Pilotenlizenz und eine Katana DV 20. Er war außerdem stolzer Besitzer einer Navy Avenger aus dem Zweiten Weltkrieg und Mitglied der Konföderierten Air Force – einer Gruppe von Enthusiasten, die sich der Restauration antiker Kampfflugzeuge verschrieben hatte.
    Kurz nach der Morgendämmerung des dem Fund folgenden Tages war Tom zusammen mit Will wieder auf dem Hang. Der Oktober tendierte in diesen Breiten dazu, kalt und bleich zu sein, und dies war ein typischer Tag. Lasker vergrub sich tief in seine Jacke. Er hatte noch nicht genügend gearbeitet, um ins Schwitzen zu kommen.
    Die Haifischflosse ragte mehrere Zoll aus dem Boden. Sie bildete das Ende eines Stabes mit vielleicht fünf Zentimetern Durchmesser. Lasker dachte an den Schaden, den sein Traktor erlitten hätte, wäre er darüber gefahren.
    Will senkte seinen Spaten in die Erde. »Nun«, sagte er, »laß uns das Ding endlich ausgraben, damit wir weitermachen können.« Er warf die Erde zur Seite. Selbst in dieser Jahreszeit war sie noch schwarz und roch süßlich.
    Die Luft war still. Ein Eichelhäher saß auf einem Zaunpfahl und beobachtete die beiden Männer. Lasker war mit sich und der Welt zufrieden. Die

Weitere Kostenlose Bücher