Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwarm

Der Schwarm

Titel: Der Schwarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
den Victor in die Höhe hievte.
    »Kommen Sie«, sagte Alban. Weiter mittschiffs waren fünf mannshohe Container installiert, zu denen sie hinübergingen. »Die meisten Schiffe sind gar nicht für den Einsatz des Victor eingerichtet. Wir haben ihn von der Polarstern ausgeliehen, weil er bei uns gerade noch draufpasst.«
    »Was ist in den Containern?«
    »Die Hydraulikeinheit für die Winde, Aggregate, aller mögliche Krempel. Im vorderen befindet sich der ROV-Kontrollraum. Stoßen Sie sich nicht den Kopf.«
    Sie traten durch eine niedrige Tür. Es war eng in dem Container. Johanson sah sich um. Über die Hälfte des Raumes nahm das Steuerpult mit den beiden Bildschirmreihen ein. Einige der Monitore waren ausgeschaltet, andere stellten die Betriebsdaten des ROVs und Navigationsinformationen dar. Vor den Bildschirmen saßen mehrere Männer. Auch Lund war anwesend.
    »Der da in der Mitte im Fahrstand, das ist der Pilot«, erklärte Alban leise. »Rechts daneben der Copilot, der auch den Greifarm bedient. Victor arbeitet sensibel und präzise, aber entsprechend geschickt muss man sein, um mit ihm klarzukommen. Der nächste Sitz gehört dem Koordinator. Er unterhält den Kontakt zum Wachoffizier auf der Brücke, damit das Schiff und der Roboter optimal zusammenwirken. Zur anderen Seite hin sitzen die Wissenschaftler. Das da ist Tinas Platz. Sie wird die Kameras bedienen und die Bilder speichern. – Sind wir so weit?«
    »Ihr könnt ihn runterlassen«, sagte Lund.
    Nacheinander sprangen die restlichen Monitore an. Johanson erkannte Teile des Hecks und des Auslegers, Himmel und Meer. »Sie sehen jetzt, was Victor sieht«, erläuterte Alban. »Er verfügt über acht Kameras. Eine Hauptkamera mit Zoom, zwei Pilotobjektive zur Navigation und fünf Zusatzkameras. Die Bildqualität ist außerordentlich gut, selbst in mehreren tausend Metern Tiefe bekommen wir filmreife Szenen zu sehen, gestochen scharf und in brillanten Farben.«
    Die Kameraperspektiven veränderten sich. Der Roboter wurde abgesenkt. Das Meer kam näher, dann schwappte Wasser über die Objektive. Victor sank weiter. Die Monitore zeigten eine blaugrüne Welt, die langsam trüber wurde.
    Der Container füllte sich. Männer und Frauen, die zuvor am Ausleger gearbeitet hatten. Es wurde noch enger.
    »Scheinwerfer an«, sagte der Koordinator.
    Mit einem Mal erhellte sich der Raum um Victor. Es blieb diffus. Das Blaugrün verblasste und wich erleuchtetem Schwarz. Einige kleine Fische gerieten ins Bild, dann schien alles erfüllt von winzigen Luftblasen. Johanson wusste, dass es sich in Wirklichkeit um Plankton handelte, Milliarden von Kleinstlebewesen. Rote Medusen und transparente Rippenquallen zogen vorbei.
    Nach einer Weile wurde der Partikelschwarm dünner. Die Tiefenanzeige wies fünfhundert Meter aus.
    »Was genau macht Victor, wenn er unten angekommen ist?«, fragte Johanson.
    »Er entnimmt Wasser- und Sedimentproben, außerdem sammelt er Lebewesen ein«, antwortete Lund, ohne sich umzudrehen. »Vor allem liefert er Videomaterial.«
    Etwas Zerklüftetes schob sich ins Bild. Victor sank entlang einer Steilwand abwärts. Rote und orangefarbene Langusten winkten ihnen mit langen Fühlern zu. Hier unten war es bereits stockdunkel, aber die Scheinwerfer und Kameras brachten die natürlichen Farben der Lebewesen verblüffend intensiv zur Geltung. Victor zog weiter an Schwämmen und Seegurken vorbei, dann wurde das Terrain allmählich flacher.
    »Wir sind so weit«, sagte Lund. »680 Meter.«
    »Okay.« Der Pilot beugte sich nach vorne. »Fliegen wir eine Kurve.«
    Der Hang verschwand von den Bildschirmen. Eine Zeit lang sahen sie wieder freies Wasser, dann zeichnete sich in der blauschwarzen Tiefe plötzlich Meeresboden ab.
    »Victor kann millimetergenau navigieren«, sagte Alban sichtlich stolz zu Johanson. »Sie könnten ihn Garn einfädeln lassen, wenn Sie wollten.«
    »Danke, das besorgt mein Schneider. Wo genau ist er jetzt?«
    »Direkt über einem Plateau. Im Untergrund lagert eine gewaltige Menge Öl.«
    »Auch Methanhydrat?«
    Alban sah ihn nachdenklich an. »Ja, sicher. Warum fragen Sie?«
    »Nur so. Und hier will Statoil die Fabrik installieren?«
    »Es ist unsere Wunschposition. Sofern nichts dagegen spricht.«
    »Zum Beispiel Würmer.«
    Alban zuckte die Achseln. Johanson merkte, dass der Franzose das Thema nicht mochte. Sie sahen zu, wie der Roboter die fremde Welt überflog, dahinstaksende Meerspinnen überholte und Fische, die im Sediment wühlten.

Weitere Kostenlose Bücher